»Titane« © Slash Filmfestival
»Titane« © Slash Filmfestival

Mensch-Maschine

Der Slash Eröffnungsfilm »Titane« von Julia Ducournau wurde mit der Palme d'Or ausgezeichnet. Verdient oder nicht? Achtung: Spoilers and opinions ahead.

»Titane«, zweiter Feature-Film der französischen Regisseurin Julia Ducournau und Eröffnungsfilm des diesjährigen Slash Filmfestivals, vereint mindestens drei Geschichten in einer. Einmal ist da die Geschichte eines jungen Mädchens, das nach einem Autounfall eine Titanplatte in den Kopf bekommt und danach einen seltsamen Fetisch für Metall und Motoren entwickelt. Außerdem die Geschichte einer jungen Frau, die in einer Notsituation zur Mörderin wird und sich infolge zunehmend wahllos durch ihren Bekannten- und Verwandtenkreis metzelt. Und dann noch die Geschichte einer Frau auf der Flucht, die sich als verlorener Sohn eines verzweifelten Vaters ausgibt und unvermutet Liebe und Vertrauen findet.

Jede dieser Geschichten hat ihren Reiz und die Berechtigung, erzählt zu werden, doch »Titane« versucht das alles gleichzeitig – und führt nichts richtig zu Ende. Die Auto-erotische Romanze hätte irgendwo zwischen »Christine« und »Crash« zahllose Möglichkeiten geboten, erschöpft sich aber in einem Lowrider-Quickie und einer Schwangerschaft, in der Eisenmangel bestimmt kein Problem darstellt. Die Mordgeschichte lässt uns im Dunkeln über Motive wie auch Konsequenzen und dient nur als Mittel zum Zweck; die Figur der Mörderin wirkt unnahbar und entmenschlicht und ihre äußerliche Verwandlung entfremdet sie uns umso mehr.

Die Vater-und-Sohn-Geschichte, die menschlichste und vielschichtigste der drei, macht zwar weite Strecken des Films aus und lässt einige berührende Szenen zu, hätte aber auch ohne das ganze Crime-&-(Science-)Fiction-Brimborium erzählt werden können. Für Gold in Cannes hat’s trotzdem gereicht, wohl auch dank der schauspielerischen Leistung von Agathe Rousselle und Vincent Lindon, die hier nicht geschmälert werden soll. Das Storytelling in Ducournaus erstem Langfilm »Raw« wirkt jedoch ausgefeilter, authentischer und weniger nach »Palme-Bait«. Fazit: Vielversprechende Ideen, aber verfahrender Plot, und in dem Bemühen, all das unter eine Haube zu bringen, bleibt leider das Interesse auf der Strecke.

Wer sich seine eigene Meinung bilden will: »Titane« ist am 2. Oktober noch einmal beim Slash Filmfestival und ab 4. November regulär im Kino zu sehen.

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