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Third Ear Band

»Third Ear Band«

Antarctica Starts Here

Erstveröffentlicht 1970, ist »Third Ear Band« das zweite Album der gleichnamigen britischen Gruppe, die neben Comus und der Incredible String Band für die Art von kauziger und visionärer British Folk Music steht, die schräger, überdrehter und zu gleichen Teilen sonniger und finsterer war als vergleichbare Musik zu dieser Zeit (vgl. Fairport Convention oder Pentangle). Wenig überraschend, dass die Third Ear Band mit ihrem dritten Album einen Soundtrack zu Polanskis düsterer »Macbeth«-Verfilmung lieferte. Aber bleiben wir bei dem selbstbetitelten Album, das jetzt über das amerikanische Label Antarctica Starts Here wiederveröffentlicht wurde. Zur Einstimmung weht der Wind übers karge Land, die unbewaldeten Hügel Englands, dann setzen Oboe und diverse Perkussions-, Saiten- und Zupfinstrumente ein und umgehend wird klar, dass hier eine der (nicht so typischen) Hippiekapellen am Werk ist, die eine durch allerlei ferne Kulturen inspirierte, sehr eigene und verwachsene Variante von psychedelischer Musik für sich zum Ausdruck brachten. In internationaler Nachbarschaft fand die Third Ear Band durchaus ebenfalls Geistesverwandte. Die deutschen Popol Vuh oder Between etwa. Dieser Vergleich drängt sich vor allem durch den Einsatz der Oboe auf. Paul Minns spielte diese in der Third Ear Band, Robert Eliscu bediente das Instrument mit der markanten Klangfarbe bei Popol Vuh und Between. Die drei Bands eint auch der eklektische Umgang mit musikalischen Traditionen aus aller Welt. Den sich sofort einstellenden Gedanken an die Frage nach dem Wohl und Wehe kultureller Aneignung bitte stecken lassen, danke. In letzter Konsequenz entspringen die Kompositionen ohnehin den bewusstseinserweiterten und abenteuerlustigen Hirnen der Musiker*innen, die mit ihrem neugierigen Interesse an exotischen Instrumenten, alternativen Stimmungen und nicht-europäischen Tonleitern vor über fünfzig Jahren Türen aufgestoßen haben, durch die ihnen bis heute u. a. Bands wie Current 93, Psychic TV, Six Organs of Admittance, Razen, France und viele andere gefolgt sind. Noch die blasphemischste Black-Metal-Band kann sich von der Third Ear Band zeigen lassen, wie der Scheiterhaufen ausgepinkelt wird – ein Heidenspaß! Ihr Einfluss kann überall dort gefunden werden, wo das musikalische Interesse auf ketzerisch-esoterischen Wissensdurst trifft, wo Musik noch immer eine gewissermaßen alchemistische Kunst und Ausdruck meditativer, religiöser, okkulter oder magischer Praxis ist, um mit dem Numinosen in Kontakt zu treten. Die Kompositionen des Albums sind nach den vier Elementen Luft, Erde, Feuer und Wasser benannt, und wer glaubt, ich übertreibe hier in meiner Beschreibung dieser im besten Sinne zeitlosen Musik und der ihr unterstellten Funktion und Wirkungsweisen, der traue sich an »Fire« heran – und kann sich auf ein heißes Tänzchen gefasst machen.

Home / Rezensionen

Text
Holger Adam

Veröffentlichung
06.09.2025

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