Okay, da gibt’s diesen Kick, diesen Moment, wo dich ein Thermals-Song durch die Luft wirbeln kann und die zwei Minuten, die er dauert, den Atem raubt. Ja, den Kick gibt es, und er scheint sich auch immer wieder gerade dann einzustellen, wenn man die Thermals schon länger nicht mehr gehört hat. Als die drei die Bühne erklimmen, gehst du noch einmal die Hymnen und Melodien durch, die dich erwarten, die großartigen Riffs und den Power-Pop-Appeal, den diese neue Generation amerikanischer Punks mit sich bringt. Was dann losbricht, ist ein Orkan sondergleichen, die Thermals rammen ihre Songs in die Luft und das anwesende Publikum (trotz des am selben Abend lockenden Mike Watt in der Szene Wien) rammt zurück. Volles Haus, Hütte gerockt, nach zwei Minuten. Spitzenleistung. Aber länger als vier Songs muss man das nicht haben. Die Ideen sind dafür auch nicht gedacht, die Thermals weichen an keiner Stelle von ihren einfachen, kraftvollen Songstrukturen ab, und erzeugen somit auf längere Dauer ein vielleicht unabsichtliches Vakuum. Die Hymnen und Hits wirken auf einmal blass und uninspiriert. Dass ein Großteil des anwesenden Publikums trotzdem dankbar war für die Performance, mag auch ein Zeichen dafür sein, dass es bei den Thermals vielleicht ja auch einfach nur ums »Fallen lassen« geht. Aber dafür hätte ich dann gerne keinen doppelten Boden. Und die Thermals haben nun mal einen: die Platte »Fuckin A«. Auf die freu ich mich quasi, wenn sie mich wieder nach längerer Pause mit einem ihrer verdammten Ohrwürmer erwischt. Auch wenn’s nur für kurze Zeit ist.

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