Ensoulment
The The

»Ensoulment«

Cineola / Ear Music

Wer Schlagzeilen braucht, hier ist eine: Das britische Comeback des Jahres! Allerdings spreche ich nicht von Oasis, sondern von The The. Beinahe 25 Jahre nach dem letzten Studioalbum »Naked Self« und 41 Jahre nach dem fulminanten Debüt »Soul Mining« kann Mastermind (weil einziges Originalmitglied) Matt Johnson mit »Ensoulment« voll überzeugen. The The war ab 1983 eine dieser Bands, die eine Indie-versus-Major-Debatte überflüssig erscheinen ließ, weil sie mit eingängigen Songs, aber ohne musikalische Kompromisse einzugehen, in den Popmainstream einzudringen vermochte. Kein Wunder, dass sich nach dem Ende der Smiths auch Johnny Marr eine Zeit lang The The anschloss. Matt Johnson mag seine exzentrischen Seiten gehabt haben; politischen Bullshit à la Morrissey bekam man von ihm aber nicht zu hören. Auch auf dem neuen Album zeigt er sich als ebenso brillanter Songwriter wie Texter. »Some Days I Drink My Coffee By The Grave Of William Blake« ist an das von den Tories ruinierte Brexit-Land und seine Hauptstadt adressiert: »This greedy unpleasant land wraps itself in a flag, pretending its freedom – a dictatorship in drag. The forever wars, tyrannical laws, the coup d’états with probable cause, all revealed to little more than polite applause.« In diesen gesellschaftlichen Verhältnissen spielen sich auch die allerpersönlichsten Erfahrungen von Trauer, Tod und Genesung ab. Davon handeln Songs wie »Life After Life« oder »Where Do We Go When We Die?« Ja, wenn sich schon die junge Billie Eilish prominenterweise fragte, »When We All Fall Asleep, Where Do We Go?« , dann kann sich mit 63 auch jene Frage aufdrängen – »Weak men lie, strong men cry«. Scharfzüngig und nachdenklich, benommen und nüchtern, staunend und gelassen: Johnson und seinen Mitmusiker*innen gelingt es immer wieder, in den zwölf meisterhaft arrangierten Songs Atmosphären zu schaffen, wie sie auch bei Howe Gelb oder sogar Leonard Cohen auftauchen. Und auch wenn der letzte Song »A Rainy Day In May« heißt, so ist das keine schlechte Ausgangslage, um hoffentlich unbeschadet vom Spätsommer in den Herbst zu gelangen – »Wash my blues away…« 

Home / Rezensionen

Text
Peter Kaiser

Veröffentlichung
09.09.2024

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