Wegen der vergnügungssüchtigen Icke-Micke-Blase wird das Festivalprogramm diesen Freitag mit fast schon unsympathischer Disziplin abgespult. Deshalb stehen dann auch Weasel Walter und seine beiden Saitensklaven pünktlich zur ZIB2 auf der größeren der beiden SoundBridges-Bühnen und spielen Blitzkrieg Noise! Dass Herr Walter wie immer Kriegsbemalung trägt will uns also im Zusammenhang mit seiner Bearbeitung der Schlagzeug- sowie der Trommelfelle der konzentrierten Audienz vielleicht doch etwas sagen. Wahrscheinlich ist der straighte »Bandleader from Hell« der einzige Dirigent, der sein Orchester aus dem Hinterhalt, mit den Taktstöcken immer nur nach unten dreschend, dirigiert – das aber mit beeindruckender Autorität. Hier darf in punkto musikalischer Perfektion nicht gekleckert werden, die Kleckse gehören ins Gesicht!
Tsunami-Opfer und Organwandertag
Man weiß bei den Luttenbachers ja nie was da so auf einen zukommt, weil Weasel Walter seine Knappen an den Elektrobrettern wechselt wie so mancher Österreicher nicht einmal seine Unterwäsche. Diesmal an Bord sind ein in knackiger, in stilvolles Rosa gehüllter Gitarrero, der als falscher Neffe von Little Richard durchgehen würde, und ein weniger glamouröser Schlipsträger an den dickeren Saiten. Soviel zum Erscheinungsbild. Die Besetzung lässt auf eine akademische Hardcore-Darbietung schließen, und eine solche schwappt dann auch mit der Energie eines mittleren Tsunami in die Körper der »Opfer«. Knüppelhartes Stop-and-Go mit ordentlicher Schräglage brettert da von den Brettern, die angeblich die Welt bedeuten sollen, dass man sich am Ende schon fast fragen muss, ob die körpereigenen Organe auch noch alle an ihren angestammten Plätzen zu finden sind. Es könnte aber genauso gut sein, dass es einfach der an die körperlichen und geistigen Grenzen gehende Festival-Lebensstil ist, der hier seinen Tribut fordert.
Gespaltene Rezeption und Weasel-Züge
Nach einer Stunde ist das »Noisecamp« vorbei und hinterlässt trotz aller Wucht einen zwiespältigen Eindruck. Die Reaktionen im Bekanntenkreis reichen von ekstatischer Begeisterung bis zu Kommentaren wie »ziemlich fad«, aber solch auseinanderklaffendes Feedback halte ich prinzipiell immer für gut. Zumindest ist das besser als das sonst übliche gleichgültige Schulterzucken. So hat wahrscheinlich die individuelle Rezeption dieser Luttenbacherschen Soundfolter doch mehr mit der aktuellen eigenen Befindlichkeit zu tun als man gemeinhin geneigt ist anzunehmen. Nicht jeder verfügt über ein fast schon bedenklich-schizophrenes Verhaltensrepertoire wie Martin Blumenau, der nach eigenen Worten seine mentale Verfassung an der Studiotür abgeben kann. Beneidenswert, diese psychische Stabilität. Ob die FL ihre Anreise in einem der beliebten ÖBB-Weasel-Züge bestritten haben? Man weiß es nicht genau.