Albumsleeve "Mothership Connection" von Parliament © Universal
Albumsleeve "Mothership Connection" von Parliament © Universal

Tanz den P-Funk: George Clinton & Parliament Funkadelic

George Clinton, nach James Brown der bekannteste stilprägende und gesampelte Artist des Funk, will es noch einmal wissen. Mit einer Fusion seiner Bands Parliament und Funkadelic wird der bald 75-jährige P-Funk-Erfinder mit seiner Mothership Connection live abheben. Beim Jazz Fest Wien im Arkadenhof des Rathauses, am Samstag, 9. Juli 2016, 20:30 Uhr.

The Parliaments, von George Clinton bereits 1955 in Plainfield, New Jersey, gegründet, spielten zunächst Doo-Wop und Mitte der Sechziger-Jahre Soulfulles der geschmeidigen Art, gipfelnd im R’n’B-Charts-Hit »I Just Wanna Testify«. George Clinton, geboren am 22. Juli 1941 in Kannapolis, North Carolina, aufgewachsen in Plainfield, heuerte in Detroit bei Motown als Songschreiber an und wurde nebenbei auch zum Friseur von Berry Gordy. Eine gute Schule, doch inspirierten ihn bald auch die ungestümen Rockbands der damaligen Autoindustrie-Boomtown, von MC5 bis zu den Stooges. Daraus folgte Freakout-Musik mit extrem funkigem Rhythmus (à la Sly Stone) und psychedelischen Wah-Wah-Gitarren (Idol Jimi Hendrix). Alsbald war dafür der Begriff P-Funk en vogue. Das tolle Rezept, eine Mixtur aus Psychedelic Rock, Sound und Funk zu brauen, ging bereits mit dem Debütalbum »Funkadelic« voll auf. Wegen einer Klage infolge Namensgleichheit mutierte Parliament zu Funkadelic, und im Jahr darauf folgte das Album mit dem legendären Titel »Free Your Mind… and Your Ass Will Follow«, angeregt von der Freiheitsphilosophie Baruch de Spinozas. Mit »Osmium« (1970) hieß die Band wieder Parliament. Doch ohnehin sind die beiden Benennungen austauschbar, da es sich um ein und dasselbe Bandkollektiv handelt, das Platten gleichzeitig bei verschiedensten Labels veröffentlichte, Mitte der Achtziger-Jahre unter dem Alias P-Funk All Stars, weil dieses sympathische Durcheinander Rechtsstreitigkeiten nach sich zog.

P-Funk Mothership
P-Funk enthält die Anfangsbuchstaben von Parliament-Funkadelic und steht für Pure oder Psychedelic Funk genauso wie für Plainfield Funk, stammte doch u. a. auch das für die Stilbildung so wichtige Bandmitglied Bernie Worrell aus dieser Stadt. Seine spacigen Keyboard-Sounds waren ein Markenzeichen des P-Funk und weil Worrell 72-jährig am 24. Juni 2016 an Lungenkrebs verstarb, wird wohl George Clinton auch auf der Bühne seinen langjährigen Kumpanen würdigen.

Somit sei an die Parliament-LP »Mothership Connection« (1975) erinnert, wo es eindeutig abgeht: »I want the bomb. I want the P-Funk. I want my funk uncut.« Bootsy Collins, der seine Basssounds alienmäßig in Sternenhimmel schrauben kann, wechselte direkt von James Brown ins Mutterschiff des Outta-Space-Impresarios. Und Maceo Parker (Tenorsax) sowie Fred Wesley (Posaune) kamen von den JB’s, James Browns zackiger JB-Horn-Section.
Wie groß die Familie wurde, veranschaulichen auch die Brides of Funkenstein. Die Bräute waren Background-Sängerinnen, denen George Clinton und Bootsy Collins Songs maßschneiderten, etwa auf den sinnig betitelten Alben »Never Buy Texas from a Cowboy« und »Funk or Walk«.

»One Nation Under a Groove«
George Clinton inszenierte sich nicht nur als bunter, schriller Vogel, sondern impfte in dieser besten Zeit Mitte der Siebziger-Jahre mit dem künstlerischen wie kommerziellen Erfolg seines grandiosen All-Star-Ensembles der schwarzen Community auch Selbstbewusstsein ein. Insofern war er ein Vorbild, nicht nur für Musiker von Prince bis zu den Red Hot Chili Peppers und die spätere Hip-Hop-Generation, sondern für eine aktive Politik gegen den weißen, rassistischen Mainstream. In »Chocolate City« (vom dritten, gleichnamigen Parliament-Album 1975) regieren gar die Afroamerikaner im Weißen Haus, mit Stevie Wonder als Kunstminister!

Am Zenit des P-Funk, als 1978 der Platinseller »One Nation Under a Groove« herauskam, waren die Live-Auftritte von Funkadelic legendär. Aliens in Plateau-Schuhen entstiegen riesigen UFO-Motherships und bis zu 40 bizarr kostümierte Tänzer und Musiker versetzten ihr Publikum in eine schillernde Konzertwelt, die sie für einige Stunden aus der sozial meist nicht idealen Realität herauskatapultieren konnte. Der sogenannte P-Funk-Mob, außer Rand und Band!

Treffende Passage dazu aus einem der besten Kulturradiosender Deutschlands: »Der P-Funk-Meister in der intergalaktischen Glitzerrobe löste zumindest musikalisch alle Probleme einer Nation. Die Wunden der Sklaverei schlossen sich auf diesen Partys. Rassismus und Nationalismus wurden tanzend aufgelöst. Für George Clinton und seine Band-Kollektive Parliament-Funkadelic waren die bombastischen Live-Inszenierungen kein reines Showelement, sondern die sichtbare Umsetzung einer afrofuturistischen Erzählung, einer Strategie, mit der Clinton seine politischen Botschaften bis heute übermittelt: Er und seine P-Funk Besatzungsmitglieder waren ›Aliens‹ qua Hautfarbe. Mit ihrem Funk unterminierten sie die weiße, Rock-orientierte Gesellschaft. Seit Ende der sechziger Jahre inszenierten sich Clinton und Co. als extravagante Außerirdische. Bei ihren ekstatischen Live-Shows feierten sie ein Fest der Freiheit und Selbstbestimmung. Alle Afroamerikaner sollten so in der weißen Mehrheitsgesellschaft sichtbar werden.« (Noe Noack von der Jugendkultur-Schiene Zündfunk in »Playback George Clinton – P-Funk aus dem All«, ARD-RadioRevue auf Radio Bayern 2, 19.07.2015)

clinton_george_by_William_Thoren.jpgMitte der Achtziger-Jahre war der P-Funk-Meister nicht im Reinen mit der seine Tracks sampelnden Welt des Hip-Hop. Clinton ließ einige erfolgreiche Bands wie Public Enemy verklagen, doch half ihm ein Plattenvertrag mit Princes Label Paisley Park aus einer Schaffenskrise (»The Cinderella Theory«, 1989) und bald wurde ihm der Kultstatus seiner P-Funk-Projekte bewusst – der Tantiemenfluss wurde aufgrund der zahlreichen Funkadelic/Parliament-Samples (von Digital Underground bis Terminator X) immer einträglicher. 2016 nahm Clinton den Song »Do The Damn Thing« mit Snoop Dogg auf und befindet sich in diesem Sommer mit seinem Parliament-Funkadelic-Mothership auf Europa- und Nordamerikatour. Long may he run!

Exzerpt Tourdaten George Clinton & Parliament Funkadelic
Fr., 8. Juli 2016, Novi Sad, Exit Festival
Sa., 9. Juli 2016, Jazz Fest Wien, Rathaus/Arkadenhof
Mi., 20. Juli 2016, Köln, Kantine
Do., 21. Juli 2016, Nürnberg, Hirsch

Foto: George Clinton © William Thoren

Home / Musik / Konzert

Text
Alfred Pranzl

Veröffentlichung
29.06.2016

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