Komischerweise passt der Hype nicht ohne anheimelnde Stimmigkeit zu diesem sehr konzeptionell (I) durchdachten und hundertprozentig professionell realisierten Zwei Mann & eine Frau-Projekt: Tanga – keine richtigen Debütanten, denn Mastermind und Songschreiber Jon Kaiser kratzte mit Philomena???s Garden schon an der Tür zur Hitparade und beschreitet nebenbei mit Norton eher experimentelle Wege – sind bei der Rough Trade-Dependance »Form & Function« unter Vertrag, weil ihnen der Name gefällt und entspricht. Und sie sind auf alles gut vorbereitet; speziell auf die eine Frage, bei der der Journalist zum Zahnarzt wird, der weiß, dass es für seinen Patienten in diesem Augenblick unangenehm wird, aber es muss eben sein:
Wie würdet ihr eure Musik beschreiben?
Jon Kaiser: »Wir haben da ein Wort kreiert: Electrip. Das charakterisiert es sehr gut: es ist elektronisch; der erste Teil des Wortes kennzeichnet das Cleane, Präzise. Und „Trip“ steht für das Weiträumige, auf Reisen gehen, sich nicht festlegen, Wegträumen. Wieder sehr konzeptionell (II) – das würden wir gerne als Begriff sehen.«
Und so klingt Electrip auf Tangas erstem Longplayer »Panoptikum«: Da blitzen TripHop-, Drum & Bass- und Ambient-Einflüsse auf und sind wieder weg, bevor man sie fassen kann. Elektronische Langsamkeit, die sich aber an manchen Stellen zu drängender, nachgerade plastischer Anschaulichkeit verdichtet. Die Inhalte – transportiert von einer emotions- und ausdrucksstarken Sängerin, die offiziell partout »Küken« genannt werden möchte – sind teilweise konzeptionell (III) gekoppelt: »Soul Sister« – »Soul Cleansing«, »Lingua« – »Tongue Service« usw. Vielschichtige Interpretationen sind erlaubt und erwünscht.
Live wird dann losgelassen, was im Studio reglementierenden Eingriffen zum Opfer fiel: Da unterstützt ein richtiger Drummer das hauptsächlich analoge Equipment, und Songs dehnen sich auf ihr ursprüngliches Format von 10 bis 15 Minuten aus.
»Es ist eine sehr gefühlsbezogene Musik. Darum ist es für uns auch live interessant, was kommt da rüber, wer interessiert sich dafür, wer hört das, wo geht das hin? Denn es ist auch ein Dialog gefordert, aufgrund der Texte, aufgrund der Musik ist durchaus ein Gedankenaustausch angestrebt. Wenn das viele Leute interessiert, lehne ich das nicht ab.«