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Stereolab

»Instant Holograms On Metal Film«

Warp Records/Duophonic UHF Disks

Auch so ein Nachzügler aus dem Frühjahr 2025. Aus gutem Grund bin ich ziemlich lange um das Album herumgeschlichen, denn ich bin Stereolab-Fan, nicht seit der ersten Stunde, aber seit »Emperor Tomato Ketchup« (1996), und habe mich ein wenig davor gefürchtet, dass ich enttäuscht werden könnte, wenn ich mir das erste Studioalbum der Band seit fünfzehn Jahren anhöre. Ich kann es ja gleich sagen: Die Sorge war unbegründet, ich hätte es nicht so lange vor mir herschieben müssen. Sie haben es nicht verlernt. Elegant wie eh und je trägt die Band ihr retro-futuristisches Soundkleid, es sitzt nach wie vor wie angegossen. In den 1990er-Jahren wurden sie bestaunt wie Wesen vom anderen Stern, mit ihren Vintage-Synthesizern und allerlei anderem elektronischen Equipment, das neben Gitarren und Schlagzeug den Sound der Band definierte. Hinzu kam der markante Wechselgesang von Mary Hansen und Laetitia Sadier. Seit Mary Hansen 2002 bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam, singt nur noch Laetitia Sadier, die mit Tim Gane auch für das Songwriting zuständig ist. Nun, das ist im Grunde alles bekannt. Ich schreibe es aber noch mal hin, während ich mir gedanklich die vielen sehr guten Alben von Stereolab vergegenwärtige und mich freue, dass sie es mit »Instant Holograms On Metal Film« nicht verbockt haben. Die transparent scheinenden, federleichten und ebenso fantasievollen wie sorgfältigen Arrangements, groovy und beinahe gläsern, darüber der ebenso warme wie leicht distanzierte Gesang von Sadier, mit dem unnachahmlichen französischen Akzent im englischen Gesang. Fabelhaft. Auch deshalb, weil aller herbeizitierbaren Referenzen zum Trotz Stereolab immer wie Stereolab klingen – und das, ohne zu langweilen. Tim Gane & Co. kennen ihre Musikgeschichte. Französischer Ye-Ye-Pop, italienischer Prog-Rock, Krautrock aus Deutschland, der englische Canterbury-Sound, 60s-Westcoast-Psychedelia – aber sicher doch, alles drin. »Switched-On« alles Mögliche (nicht nur Bach) waren sie schon immer und doch auch unverkennbar sie selbst. Ja, das ist alles wahnsinnig clever gemacht, aber es nervt eben nicht. Es ist verdammt cool – zumindest dann, wenn man selbst hoffnungslos verloren ist in der Beschäftigung mit dem musikalischen Kanon der Postmoderne und den möglichen Gegenwelten diesem gegenüber. Stereolab, das ist auch Musik, die einen bestimmten und bestimmbaren (und, ich fürchte, aus der Zeit gefallenen) Sozialcharakter definiert: Gen X, Kool Thing, schwarze Sonnenbrillen, rumhängen, rauchen, trinken, über Musik reden, die sonst keine*r kennt – der diskrete Charme der popkulturellen Salon-Sozialist*innen. Harmloser Spaß im Grunde, warum auch nicht. Die Zeiten werden noch scheiße genug werden, wenn alles so weitergeht, wie es gerade läuft. Fridays for Bandcamp und nicht for Future. Das soll nicht heißen, dass man sich nicht auch in fortgeschrittenem Alter noch für die und mit der jüngeren (und hoffentlich nicht letzten) Generation für eine »bessere Welt« einsetzen und engagieren kann, aber genug Erfahrung habe ich, um nicht länger zu glauben, Musik könne einen wirklich entscheidenden Beitrag zur Rettung von irgendwas außer einem selbst beitragen. Eine einigermaßen unbeschädigte Subjektivität ist allerdings auch eine nicht unwesentliche Voraussetzung dafür, den Herausforderungen des sogenannten Lebens entgegentreten zu können – irgendwo muss die Kraft ja herkommen, sich dem zu stellen, was einem zugemutet wird, aber für die Zukunft nicht so kommen und nur so ertragen werden muss, wie es einem tagaus, tagein qua populistischer Berichterstattung angedroht wird. Sich den Kopf nicht zumüllen zu lassen, ist gar nicht so einfach. Stereolab können dabei helfen. Ihre bunt schillernden Melodien und darin der wohldosierte Utopismus und melancholisch grundierte Optimismus der »Space-Age Batchelor’s Pad Music« sind nicht der schlechteste Filter, um sich den Kopf frei und die Gedanken klar zu halten. 

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