Das Institut zur Erforschung der elektroakustischen Musik in Paris, die Groupe de recherches musicales, kurz GRM, wurde 1958 von Pierre Schaeffer in Paris gegründet. In der Folge entstanden dort Arbeiten von Guy Reibel, Francois Bayle, Luc Ferrari, Eliane Radigue und vielen anderen, die heute als Klassiker der elektronischen Musik gelten. Peter Rehberg begann vor gut 15 Jahren in Kooperation mit dem GRM, die Archive des Instituts zu durchforsten, und ab 2012 erschienen Alben auf dem eigens gegründeten ReGRM Label, die sowohl bereits veröffentlichte als auch nicht veröffentlichte Musik der GRM (wieder) zugänglich machten. Nach Rehbergs Tod übernahm das französische Shelter Press Label diese editorische Arbeit und begleitet auch die noch zu Lebzeiten von Rehberg entstandene Reihe Portraits GRM, die sich einer jüngeren Generation von Komponist*innen elektronischer Musik widmet. Stephen O’Malley wiederum lärmt nicht nur mit Sunn O))) alles in Grund und Boden, er ist auch der Graphic Designer für die Alben der ReGRM und Portraits GRM Reihen und kuratierte unter dem Dach von Rehberg das Ideologic Organ Label; eine Tätigkeit, die er seit dem Tod von Rehberg ebenfalls in Kooperation mit Shelter Press weiterführt. Und sowohl auf Ideologic Organ als auch Portraits GRM erschienen in der jüngeren Vergangenheit Alben von Kali Malone, dem Cover-Girl der zeitgenössischen Avantgarde, die an der Entstehung von »But Remember What You Have Had« beteiligt war und mit O’Malley verheiratet ist.
Ich drösele dieses Netzwerk an Verbindungen an dieser Stelle keinesfalls auf, um den vermeintlichen Glamour-Faktor dieses Zirkels und dessen Ringelpiez mit Anfassen zu skandalisieren, sondern um eben nüchtern an diesem Beispiel zu zeigen, was kein Geheimnis ist: Kunst und Kultur finden nicht im luftleeren Raum statt. In diesen Szenen und künstlerischen Milieus menschelt es genauso wie in anderen professionellen Kontexten, kein Grund zur Aufregung. Von nix kommt nix und was man hat, hat man. Labels wie Editions Mego, ReGRM, Shelter Press usw. tragen nicht wenig dazu bei, traditionell akademisch geprägte musikalische Formen in eher nicht entsprechend akademisch gerahmte Felder zu tragen bzw. operieren sie in einer kulturellen Zwischenzone und überschreiten disziplinäre Grenzen (und ja, natürlich können solche Bewegungen ihre eigenen ausgrenzenden Effekte haben). Ob O’Malley im künstlerischen Ausdruck den Verlust all dessen antizipiert und sich daher appellativ an sein imaginäres Gegenüber wendet: »But Remember What You Have Had!?« Ich weiß es nicht. Dunkel gestimmte Genres wie Drone, Metal, Ambient und elektronische Avantgarde bieten sich traditionell eher an, den Untergang zu evozieren und die Apokalypse zu beschwören, als die irgendwie noch halbwegs heile Gegenwart zu feiern. Vielleicht daher die retrospektive Geste im Titel.
Musikalisch jedenfalls bewegt sich O’Malley mit seinem Album über die gerade genannten stilistischen Felder und das Hauptaugenmerk der Komposition liegt, wie bei Sunn O))) auch, auf den Ausdrucksmöglichkeiten der elektrischen Gitarre: Arrangiertes Feedback, Dröhnen und Drone – erweitert hier und da um Zusätzliches. Aber grundsätzlich piepst, schwelt und brummt es dramatisch und bedeutungsschwanger, dem Titel des Albums sozusagen angemessen. Was soll ich davon halten? Ich mag diese Art von organisiertem Lärm. Ob die Stromgitarreneskapaden höheren akademischen Weihen gerecht werden? Fragt mich nicht, ich bin kein Musikwissenschaftler. Ich höre eine instrumentale Komposition, die in erster Linie aus experimentell-elektrischer Gitarrenmusik besteht und, um weitere Instrumente ergänzt, einen irgendwie orchestralen Eindruck vermittelt. Insgesamt habe ich an diesem Werk nichts auszusetzen, weil es sich mit geschmacklichen Vorlieben meinerseits trifft. Sicher ist es mit Blick auf die eingangs erwähnten historischen Perspektiven zu hoch gegriffen, »But Remember What You Have Had« einen ähnlichen Stellenwert zuzuweisen. Aber vielleicht erinnert man sich kurz daran, was man hat, bevor es zukünftig als verlorengegangen in Erinnerung gerufen wird, und findet so Gefallen an dieser musikalischen Arbeit, die zwar im Großen und Ganzen bzw. im Vergleich zu Schaeffer und anderen Altvorderen nur eine musikhistorische Fußnote darstellen mag, aber deshalb ja nicht gleich uninteressant ist. Und wenigstens werkeln O’Malley & Co. weiter beharrlich daran, abstrakte, sperrige und irgendwie avantgardistische Musik in den Wahrnehmungshorizont von Menschen zu bringen, die mit musikalisch strengeren Formen vielleicht eher fremdeln und sich in entsprechenden traditionell-akademischen Feldern nicht bewegen.











