Dass man auf Rockinstrumenten innovative Neue Musik spielen kann, ist sicherlich ein großer Verdienst von Marino Pliakas (E-Bass und akustische Gitarre), Dominik Blum (Hammondorgel, Korg MS20, Piano, Elektronik) und Lucas Niggli (Drums). Spätestens seit der Einspielung »ac / dB« (1998) des britischen Komponisten Sam Hayden (*1968) befindet sich das schweizerische Dampfschiff auf unaufhörlicher Entdeckungsfahrt. Die sieben Stücke sind hochgradig komplex konstruiert, klingen dennoch energiegeladen rockig; Sie bewegen sich weder in ausgedienten Popharmonien, noch stampft ein plumpes Rockschlagzeug hinterher. Beim Anhören kann durchwegs der Kerngedanke »Boulez on the rocks!« aufkommen. Der Auftrag an Sam Hayden bestand darin, Module zu komponieren, die je nach Konzertsituation verschiedenartig angewendet werden können. Mittels einer Reihe von Handzeichen zeigt jeder Spieler seinem Mitspieler das nächste Stück an. So erlaubt dieses hoch entwickelte Modulsystem einen freien Fluss zwischen vorgefertigten Kompositionen und Improvisationsteilen. In diesem Umgang haben die drei Musiker kreative Lösungen gefunden und erarbeitet, um nicht nur klanglich, sondern auch formal in das Geschehen einzugreifen. Jede Aufführung wird zu einer ungewissen Reise mit sicherem Ausgang.
Aufführungen von Steamboat Switzerland setzen oft Bilder von Rockkonzerten frei. Bandnamen wie Emerson, Lake & Palmer, Deep Purple oder Pink Floyd fallen. Dem dichten und energiegeladenen Spiel (vor allem in ihren Improvisationen) liegt der gemeinsame Aufbau einer wall of sound zugrunde. Nicht der einzelne Musiker exponiert sich, sondern ein kollektives Klangereignis entwickelt sich. Die Instrumente verschmelzen zu einem einzigen Klangkörper, ein langgezogener, dramaturgischer Bogen wird angestrebt und kaum von Pausen durchbrochen.
Aufschlussreich auch Steamboats Nebenschienen: Die musikästhetischen Interessen verästeln sich in verschiedene Richtungen. Marino Pliakas konzertiert nicht nur in der freien Improszene auf vielen (außer-)europäischen Bühnen, so z.B. regelmäßig mit Michael Werthmüller, Peter Brötzmann, Stephan Wittwer u.v.a. Einer regen Konzerttätigkeit gehen auch Lucas Niggli und Dominik Blum nach. Nigglis Zoom Ensemble wird eher dem progressiven Jazz zugeordnet, entsprechend folgen viele Einladungen zu Festivals oder genreübergreifenden Konzertreihen. Raving Song System heißt das neuste Hochspannungs-Trio von Domink Blum, wofür die Presse in den Rezensionen zur CD »Vol. 1« gleich den Begriff Dark Power Ambient mitliefert.