Sigi Maron war in diesem Jahrhundert eine langsam verblassende Legende. »Geh no net furt« wurde ab und zu auf Radio Wien gespielt, und die Tantiemenabrechnung für ein Jahr hatte den Gegenwert eines Kinobesuchs am Montag. Treue Besucher des Volksstimmefests im Wiener Prater schwelgten in Erinnerungen und befanden, dass so ein Fest ohne die »Ballade von ana hoatn Wochn (Leckts mi am Oasch)« zwar nett, aber doch nicht wirklich vollständig sei. Ganz Mutige meinten, dass sie im Sog der Mainstreamgedanken den Maron besonders vermissten, da der sture Dickschädel Worte wie Solidarität in den Mund nimmt und das sogar noch ernst meint. Eine Minifraktion vermisste einfach Marons Sprache, die große Liebeslieder wie »Spuren im Sand« erschuf. Die ewigen Nostalgiker weinten einer Zeit nach, wo Maron zwar mit Ausnahme der »Mizzitant« vom Staatsradio so gut wie ausgeschlossen wurde, aber Gegenstand der öffentlichen Diskussion war. Und, da er jede Frage gern auch ausufernd beantwortete, durchaus für heftige Auseinandersetzungen sorgte. Aber die 1970er sind vorbei und modern auf dem Misthaufen der Geschichte vor sich hin.
Das alles änderte sich 2008, als Maron plötzlich wieder auf dem Volksstimmefest auftrat und die Jesuitenwiese aus vielen Gründen zum Beben brachte. Die »Hoate Wochn« wurde sowohl zur kollektiven Therapiestunde, als auch zu einem vielkehligen Ausdruck, wie sehr Sigi Maron vermisst wurde. Im Jahr darauf folgte die CD »Es gibt kan Gott« (Monkey Music). Und spätestens beim Titelsong – gleich die erste Nummer auf diesem Doppelalbum – war klar, dass hier einer mit poetischer Kraft G’nackwatschen verteilte und schon ein Song fähig ist, mehr emotionale Tiefe und Klarheit zu haben als stundenlange Dokumentationen, Podiumsdiskussionen und unzählige Leitartikel zusammen.
Dieser Tage ist »Dynamit und Edelschrott « erschienen. Maron lässt sich darauf erstmals gratulieren – und so steuern etwa Attwenger mit dem »Maronlandler« eine mehr als verdiente Verbeugung bei. Und da er jeder Wahrheit, wie den nicht verhandelbaren Tatsachen des Alterns, der Schlaganfälle und des geistigen Verfalls, ins Auge schaut, wird auch daraus ein Lied. »Waun I di Leit do siach« ist ausweglos, aber zum Mitsingen großartig geeignet. Wahrlich kein Fehler auch, dass er als Duettpartner den Jahrgangsgenossen Peter Turrrini gewonnen hat. Maron schafft hier abseits seiner musikalischen Liebe für Rocksteady einen folklastigen Klassiker der Moderne, den ihm schon wieder viele nicht zugetraut hätten.
Nach sieben Jahrzehnten Maron ist klar: hier ist einer, der sich nie verbiegen wird, einer, der seine Allergie für Unmenschlichkeiten aller Art nie ablegen wird, und einer, der das, was er zu sagen hat, in seiner Sprache sagen wird. Alles Gute, Sigi.
Sigi Maron: »Dynamit und Edelschrott«
(GAB/Rough Trade)
Tourdaten:
Fri 31.10.2014 | 19:30 @ Theater am Steg, Baden
Fri 21.11.2014 | 20:00 @ Oho, Oberwart
Fri 05.12.2014 | 20:00 @ Bildungszentrum der Kpö | Graz
Fri 13.12.2014 | 20:00 @ Stadtwerkstatt, Linz