Es gibt Orte in Wien, die nur deshalb existieren, weil man sie zufällig entdeckt. Zum Beispiel die Alte Tankstelle in der Nordwestbahnstraße 16. Ein Gebäude, das aussieht, als hätte es die 1970er-Jahre nie wirklich verlassen, aber auch keine Lust gehabt, sich in den 2000ern zu modernisieren. Beton, Patina, Tankstellendach und darunter: Tracing Spaces. Ein Kunst- und Forschungsverein, der Räume verfolgt, wie andere Leute Serien schauen. Hier geht es nicht um Zapfsäulen oder Bleifrei 95, sondern um Stadtgeschichte, urbane Ränder und vergessene Infrastrukturen. Perfekt also, dass sich just hier zwei Formate zusammentun, die seit Jahren an der gleichen Schraube drehen: Salon skug trifft auf Setzkasten Wien (die musikalische Versuchsanordnung, die klingt wie ein Bauplan von Buckminster Fuller, aber aus Kassettenrekorder und Katerstimmung). Erstmals gemeinsam im öffentlichen Raum, erstmals an einer Tankstelle. Was soll da schon schiefgehen?
Subkulturelles Stickeralbum
Der Abend beginnt um 18:00 Uhr und natürlich beginnt er so, wie solche Abende in Wien immer beginnen: ein bisschen zu pünktlich angekündigt, ein bisschen zu spät gestartet. Das Line-up ist dafür ein Panini-Album ohne Kleber, ein Zappen durch die subkulturellen Geschmäcker Wiens. Anti Newton zum Beispiel. Schon der Name: eine Kampfansage an die Physik, eine Absage an die Gravitation. Wo andere Bands Songs schreiben, um den Boden nicht zu verlieren, gehen Anti Newton gleich den anderen Weg: Sie drehen die Schwerkraft ab. Licht gegen Wand. Wand gegen Körper. Wenn die Welt noch einen Beweis dafür gebraucht hätte, dass Widerstand auch eine ästhetische Form ist – hier ist er. Dann T.R.I.O.: Klingt nach Jazz, ist aber alles andere. Drei Leute, drei Instrumente, ein Setzkasten. Elektronisch verschaltet, analog verbeult, ein Live-Experiment, bei dem man nie weiß, ob gerade etwas entsteht oder etwas zusammenbricht. Könnte jedenfalls der Soundtrack sein für die nächste Staffel Weltuntergang. Derweil aber: Tankstellentamtam. Außerdem aus dem Setzkasten Wien: Fransisca Tan, Essenskünstlerin. Sie lädt mit Food-Sound-Installationen zu einem Moment des Innehaltens ein. Ein Biss wird zum Beat, Kauen zu Echo, Geschmack zur Frequenz. Im Lauschen, Riechen, Schmecken und Fühlen öffnet sich ein Raum der Aufmerksamkeit, in dem kleinste Gesten zu Entdeckungen werden.
Krawall im Keller
Dazed Pilots wiederum sind der Gegenentwurf: Sie klingen, als wären sie direkt von einem verspäteten Ryanair-Flug gefallen. Rock, Psychedelia, alles mit diesem verschwitzten »Wir sind eh nur kurz gelandet«-Charme. Ein bisschen The Brian Jonestown Massacre, ein bisschen Velvet Underground, ein bisschen »Das war gestern schon besser, aber wir spielen es trotzdem«. Wer die Pilotshört, weiß: Delay ist nicht nur ein Effektgerät, es ist auch ein Lebensgefühl. Spur: B klingt wie ein geheimer U-Bahn-Ausgang, ist aber tatsächlich ein Projekt von David Baum, das sich den Plattenspieler aneignet. Kein Anfang, kein Ende, nur Loops. Spur: B ist nämlich das, was passiert, wenn man eine Route nimmt, die auf keinem Plan eingezeichnet ist. Und weil jede Veranstaltung in Wien mindestens einen DJ-Namen braucht, der gleichzeitig Statement und Meme ist: dj riotcat. Katze, Riot, Plattenteller. Im Keller der Tankstelle (ja, es gibt ihn, und ja, er ist so düster wie ein schlecht gelaunter Joy-Division-Basslauf) wird sie zusammen mit weiteren DJs auflegen. Keller heißt: schwitzen, tanzen, über Lautsprecher stolpern. Also genau so, wie man das aus guten Nächten kennt.
Talk in der Tankstätte
Dazwischen: skug Talk mit Michael Zinganel. Der Mann hinter Tracing Spaces, Stadtforscher, Architekt, Erzähler. Einer, der nicht nur weiß, warum Orte verschwinden, sondern auch, warum man manchmal gerade dann an ihnen kleben bleibt. Im Gespräch wird es also nicht nur um Kunst gehen, sondern auch um Infrastrukturen, Erinnerungen und die Frage, warum eine Tankstelle zur Kulturstätte mutiert. Wer öffentlich hinwill, nimmt am besten die U6 bis Dresdner Straße, steigt dort aus, geht ein paar Minuten und plötzlich steht man da: vor der Alten Tankstelle, Deko unter Schwarzlicht. Man kann aber auch mit der Straßenbahn kommen, Linie 2, Station Leystraße/Nordwestbahnstraße. Oder gleich mit dem Rad. Autos braucht niemand, Tankstelle hin oder her. Wir freuen uns auf euch, beim Salon skug x Setzkasten Wien am Samstag, dem 6. September 2025, ab 18:00 Uhr bei der Alten Tankstelle in der Nordwestbahnstraße 16.











