Sally Anne Morgan ist eine amerikanische Folk-Musikerin, die u. a. mit den Black Twig Pickers spielt, mit Sarah Louise das Duo House And Land bestritt und mit »Second Circle The Horizon« ihr viertes Soloalbum veröffentlicht. In der Vergangenheit hat sie auf diesen auch gesungen; die neue Veröffentlichung ist ausschließlich instrumental. Sie spielt Fiddle, Banjo, Gitarre, Klavier und diverse Perkussionsinstrumente und wird hier und da dabei prominent unterstützt. Auf einem Song spielt Geologist (Animal Collective) Hurdy-Gurdy. Nun aber weiter den Weg aus Ashville, North Carolina, in die zeitgenössische Popkultur zu suchen, wäre nicht sehr ergiebig. Um Morgans Musik inhaltlich beizukommen, empfiehlt sich eher der Blick zurück. Ihre Kompositionen sind inspiriert von der musikalischen Tradition der Region, in der sie lebt, der sogenannten Appalachian Folk Music, die ihrerseits ein hybrides Gemisch aus in erster Linie europäischen Einflüssen ist. Auf diese Weise lässt sich auch eine historische Verbindung zur englischen Folk-Musikerin Shirley Collins herstellen, die ja ihrerseits 1959 mit Alan Lomax den Süden der USA bereiste, um Field-Recordings von regional spezifischen musikalischen Ausdrucksformen zu archivieren. In »America Over The Water« hat Collins ihre Erinnerungen an diese Reise festgehalten, das Buch ist leicht erhältlich und interessant zu lesen, wenn man sich für die Geschichte des amerikanischen Folk-Revivals und damit einhergehende durchaus ambivalent zu beurteilende Erfahrungen interessiert. Die Frage um das Wohl und Wehe kultureller Traditionen, ihrer Weitergabe und Aneignung steht nicht erst im Raum, seit post-koloniale akademische Diskurse geführt werden, und schon Ende der 1950er-Jahre wurden auch sensible Antworten auf diese Frage gefunden. Man kann aber die Musik, auch die von Sally Anne Morgan, hören, ohne sich mit all diesen komplexen Perspektiven auseinandersetzen zu müssen, denn die Musik ist zunächst einmal schön und das darf sie auch sein. Neun melancholische, fein gesponnene Miniaturen bietet »Second Circle The Horizon« und zusammen bilden sie einen stimmigen Liederzyklus, der sich ohne Worte mühelos mitzuteilen und auf Sorgen, Hoffnungen und andere menschliche Regungen zu antworten vermag. Als individuelle Projektionsfläche und Lebensbewältigungshilfe eignet sich Musik ja grundsätzlich und diese alltagstaugliche Qualität kann gar nicht hoch genug bewertet werden. Ich nehme an, dass auch Morgans Musik in der Reflexion ihres eigenen Lebens entsteht, in der Auseinandersetzung mit den Grenzen und Möglichkeiten einer Künstlerin, die ihre Arbeit am ästhetischen Ausdruck mit den Anforderungen eines Familienlebens und anderen Herausforderungen vereinbaren muss und dieses Spannungsverhältnis nicht bloß als Last empfindet, denn so ist nun mal das Leben, kein Grund zur Klage. Und ähnlich unprätentiös, von einem gewissen Realismus geprägt und gewissermaßen einfach schön ist Sally Anne Morgans Musik.
Sally Anne Morgan
»Second Circle The Horizon«
Thrill Jockey
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