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Royal Trux

»Provenance – The Demo Tape (1988)«

Fire Records

Jennifer Herrema und Neil Hagerty waren einmal sowas wie die Glimmer Twins (Mick und Keith von den Stones) des amerikanischen Indie-Underground der Neunzigerjahre: cool, druff und musikalisch einen Schritt voraus. Auf der Höhe des Indierock-Hypes dieser Zeit (Sonic Youth waren schon länger bei Geffen Records, Pavement Everybody’s Darling usw.) zogen auch Royal Trux einen Major-Label-Deal mit Virgin Records an Land, verballerten den Vorschuss weitgehend für Heroin und eine Ranch auf dem Land und blieben kommerziell sehr weit hinter den Erwartungen in der Chefetage der Plattenfirma zurück. Nach zwei Alben wurden sie dann vor die Tür gesetzt und veröffentlichten wieder (wie zuvor) bei Drag City. Insgesamt haben sie ein Dutzend Alben hinterlassen (Singles-Kompilation und Comeback-Album mitgerechnet) und die musikalischen Anfänge des legendär dysfunktionalen wie genialen Paares wurde zum Record Store Day 2025 aufbereitet. »Provenance – The Demo Tape (1988)« stellt unter Beweis, dass sie, schon bevor es losging, fertig waren. In jeder Hinsicht. Die Aufnahmen klingen nicht, als wären sie nüchtern angefertigt worden. Aber nüchtern betrachtet muss man eben auch sehen, dass das Duo – frühvollendet – schon zum damaligen Zeitpunkt all das draufhatte, was ihre späteren Alben auszeichnen sollte: dieser verstrahlt-verstolperte Vibe von Royal Trux, die scheinbar unbekümmert und achtlos hingeworfenen musikalischen Gesten – unnachahmlich und unverkennbar. Atonal, disharmonisch, Lo-Fi, abgefuckt – unübertrefflich. In jedem lasziv hingenölten »Yeah, Yeah, Yeah« steckt mehr Sexyness und Coolness als im Gesamtwerk von The Kills. Ich sage das nur, um die Differenz deutlich zu machen. Ich mag zumindest die frühen Alben von The Kills ganz gerne, aber Royal Trux is where it’s at. Mit allem, was dazugehört, allerdings. Im Guten wie im Schlechten. Denn Royal Trux waren auch Meister der Selbstdemontage und -sabotage und haben sich mit sagenhafter Treffsicherheit regelmäßig ins Knie geschossen. Kritikerlieblinge waren sie immer, ein größeres Publikum haben sie aber eher doch nicht erreicht, aus vielen Gründen – nicht zuletzt auch musikalischen. Das sperrige Gelärme, Rolling-Stones- und Classic-Rock-Anleihen hin oder her, kann einem auch zu viel werden. Aber ich bekomme nicht genug davon und habe mich über die Veröffentlichung von »Provenance – The Demo Tape (1988)« sehr gefreut. Meinetwegen können gerne noch mehr lausig produzierte Aufnahmen, die vielleicht nie für die Öffentlichkeit bestimmt waren, folgen, immer her damit.

Home / Rezensionen

Text
Holger Adam

Veröffentlichung
16.08.2025

Schlagwörter

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