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@ Billboard Award [2013]
© www.hannahforddrums.com

Prince’s hard drum worker

»We could play this song or that«, schlägt Prince dem Publikum vor, das extrem viel selber singt und tanzt und sich emotional einfangen lässt. »Vienna!« 7. Juni 2014, Wiener Stadthalle, Prince & 3rdEyeGirl. Die subjektive Prolo-Schlagzeugkolumne auf amerikanischen Abwegen.

In der riesigen Halle hängen die Nebel drin, Tröpfchennebel. Höhe und Weite nach oben, die urgroße Halle D der Wiener Stadthalle erinnert an das Rapid-Stadion oder an den Eurovision Song Contest. Vorne, vor den Unterteilungen der Stehplätze, hängt eine Leinwand, die ein Aquarium zeigt. Beruhigende Musik ertönt. Pfeifen brandet immer wieder auf. Warten. Blaue Leuchtpunkte. Die Eisverkäuferin winkt mit Cornettos. »Das weiß Herr Prince wahrscheinlich noch nicht einmal selber genau, wann er genau auftritt«, sagt die Fahrkartenabreißerin. Lautes Gegröle, als es dunkel wird, doch weiterhin rosa Korallenwedel und gelbe Fische vor der Bühne, we want to see your eyes and not your eyephones, sagt eine freundliche Frauenstimme. Doch plötzlich Erdbeben, die Halle wackelt vom Sound, große Verwirrung, dann fliegt der Vorhang in einem Ruck nach oben. Bombastisch, gelbe Lichter, Feuer, ein Riesenschlagzeug. Prince, ganz in weiß, würgt seine Gitarre. Die Halle geht sofort total mit bei diesem sehr rockigen Song. Die junge Schlagzeugerin (es ist nicht Sheila E.) hebt die Arme hoch über den Kopf, 1 2 3 4! In einem harten trockenen Sound spielt die US-Amerikanerin Hannah Ford mit beiden Armen auf der Snare – fast durch. Maximalsound.

In einem Film hinter Prince sieht man blauen Himmel, die Wüste, »come and touch«, er kreischt irrsinnig, ooh!, er war ja schon immer besser als Michael Jackson. Die Schlagzeugerin spielt gerade durch, ohne Schnörksel, aber kräftig. Prince erinnert mich an das Konzert von Linton Kwesi Johnson in Wiesen vor Jahren – allein die Stimme macht’s! Der Song wirkt durch die Stimme. Ein gewisser Unterton, etwas Langgezogenes, ganz Eigenes, Undefinierbares, das jeder erkennt. Prince tanzt wie Michael Jackson, na ja, ich habe keinen Vergleich. Dass ein Mensch so viel Kraft entwickelt, ein Energiebündel. Suchscheinwerfer. Take your time. Die Schlagzeugerin crasht beide Becken gleichzeitig. Crash! Dabei schaut sie süß aus mit Mütze auf langen blonden Haaren. Kaum zu glauben, das ist wirklich Prince da vorne auf der Bühne und er ist heute erst 56, diese Legende. Die Schlagzeugerin arbeitet voll durch, mit beiden Armen von oben runter – nix mit bissl Hi Hat durchschlagen. Alles mittelalte Leute da.

Seine 3rdEyeGirl-Entscheidung

prince4.jpgPrince sagt eine Nummer aus den 1980ern an, lila Punkte schweifen, die Schlagzeugerin ist zu hart unterwegs, »baby you are just imagining, maybe you are just like my mother, sing it! Come on! Why do we scream at each other?« Das erste Lied, bei dem wirklich Stimmung aufkommt, die Leute gehen vorne ans Geländer. Seine Stimme wirkt, das Schlagzeug bissl leiser – so ist’s besser. Auf geht’s! Einige tanzen auf den Treppenstufen oben – alles mittelalte Frauen. Mir ist die Schlagzeugerin zum Teil zu straight unterwegs, etwas melodiöser und jazziger würde besser passen – aber seine Entscheidung! Vienna, you want to play with me? Vielleicht will er ja auch, dass seine Stimme sich erhebt, davon fliegt, über diesen Staccato-Sound?!

Synthie-Orgel, ganz alter Sound, ganz klassisch, ganz Hotel in Jugoslawien in den 1980ern-Klang. Die Schlagzeugerin rackert sich ab, hard worker, hard worker on drums, dabei eine zierliche Person. (Die erste Schlagzeugerin von Prince kriegte nach Jahren gesundheitliche Probleme. Angeblich spielte sie in Hi-Heels – so ein Blödsinn!) Hannah Ford spielt am Rand der Snare, der hölzerne Sound klingt gut. Die Bassistin strahlt, super spielt die. »There comes a time«, rotes Licht, Feeling – eigentlich ganz simple Melodien. Beschwörungen von Prince himself, der mit dem Publikum, das er als Figur »Vienna« personifiziert, spielt: »Vienna, I want you in my life«. Jeder lächelt. Er spielt total viel selber auf der Gitarre, gibt es auch Moll auf der Gitarre? »We gonna be old school tonight«, kündigt er an. Nicht mehr so funkig wie früher an den Drums? Es fehlt der Laidback-Extraschlag, der den Funk, das Funkige, ausmacht, komplett. Seltsam. Eine andere Epoche. Dann wie in der Kirche, ganz hohe Stimme, 99, der Sound zischt durch die Halle, er schaut so süß aus mit seinem Afro, hohes Kieksen. Fröhliche Lebensenergie gibt er her und flirtet dazwischen immer wieder kokett mit dem Publikum, das er bequatscht, als ob es eine Geliebte wäre. »Baby, you got all night, we have to slow down, we are going to fast, SLOW DOWN.« Rote Scheinwerfer, langsam über die Köpfe nach oben. Since you be gone – alle sind hin und weg, der Saal tobt. Nur er singt alleine, Feuerzeuge. Das Publikum ist gut – es singt viel!! Schwarze Frau am Klavier, Prince gibt den Leuten ganz vorne die Hand – puh, der kann’s! »Nothing compared to you. Vienna! You talk to me. What you want to hear?«, er schlägt verschiedene Songs vor, das Publikum schreit. »We could play … this or that. I wanna be your lover. This is from me to you.« Und los geht’s: »You don’t have to be rich to be my girl«. Alle zucken aus. Prince amüsiert sich sehr auf der Bühne und er stellt eine ironische Verbindung zum Publikum her. Kurze Zeit später zeigt er wirklich seinen nackten braunen Hintern. Kokett, der Alte. Pause. Die Leute sind so aufgedreht, dass sie schon von selber singen. »Happy Birthday« schallt es durch die Halle. Tausende Menschen feiern gemeinsam den Geburtstag von Prince und sich selber. Das Leben, das mittelalte Leben. »I am trying to get younger not older«, sagt Prince. Recht hat er. Warum sollte man sich plötzlich nicht mehr amüsieren?!

»Vienna, what about you?«

»Do you want me?« Kreisch. »Purple Rain«, ein schönes Lied, fast nur mit Gitarrensolo. Prince flippt wieder aus, hüpf, hüpf, die Gitarristin rennt quer über die Bühne, sie hält es nicht mehr. »I love my guitar , I love Austria« …, improvisierter Text, hehe. DRIVE. Kommt jetzt wieder die Synthie-Gitarre? Fast wie Dead Kennedys klingt es. Lichter und sonstiges Gewitter. »I wanna know for sure«. Dass der so viel Gitarre spielt mit Verzerrer! Die Halle singt das Konzert selber, er oben drüber! »Purple Rain«, es regnet lila Papierstückchen. »I wanna be some kind of friend. Vienna, what about you?« Prince bringt Trost rüber, nicht alleine sein müssen, Glitzer in der Luft, »Do you want me to play harder, stronger?« Tja. Was für eine Anspielung soll das wohl sein. Er lässt Platz, ist vorsichtig mit seinem imaginären Gegenüber, es gibt Raum neben ihm, er ist nicht so überwältigend und dominant wie andere, aber sehr lebendig. »I feel something about tonight. Do you feel it too?« Fidel, fidel, kratz, Triumph! »Sometimes it snows in April -but it never, never lasts« – jeder versteht, wie das gemeint ist. Der Schnee bleibt niemals liegen. Unglück geht vorbei. Trost. (Anm. Danke, ich weiß, dass das nicht stimmt.) »My name is Prince and so are you.«

Keiner will nach Hause und es gibt wirklich drei Zugaben-Blöcke, worauf die Halle wieder ausflippt und freudig shakt. Die Gitarre klingt wie John Coltranes Saxophon in der Spätphase oder wie Miles Davis auf der Polen-CD von 1983. Die Schlagzeugerin hält durch. Krach. Fett. Die Schlagzeugerin wirbelt herum, die sieht noch frisch aus. Schlagzeug-Solo! Ich nehme alles an Kritik zurück, die lächelt sogar. Am Ende eines zweistündigen Konzerts noch ein Solo. Und was für eines. »Vienna!« Polizeisirenen, rotes Licht, very funky, »I know about pain and rejection, I know!« Prince schreit. Harte Partie. Whoa Hardcore. Dann ist Schluss. Draußen kriegt man nix mehr zu trinken, sondern wird rausgeschmissen. Das ist ebenfalls Hardcore.

Musik beim Schreiben: Linton Kwesi Johnson »Fight them back“, Miles Davis Septet, Live in Poland 1983, Prince and the Revolution/Parade.

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