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Paysage d’Hiver

»Die Berge«

Kunsthall Produktionen

Das neue Album des Schweizers, der sich Wintherr nennt, ist bereits im letzten November erschienen, und der Black Metal des Ein-Mann-Projektes ist so kalt, wie der Winter – Klimawandel hin oder her – in den titelgebenden Bergen noch immer ist. Der musikalische Schneesturm tobt über eine Spielzeit von fast zwei Stunden durch die Rillen von sechs Vinylseiten und entsprechend »durch« ist man nach der akustischen Wanderung durchs alpine Weiß. Die ist wahrlich kein Spaziergang, lohnt sich aber dennoch, denn das rhythmisierte Rauschen, Donnern und Grollen der sieben Songs des Albums ist in der dargebotenen Konsequenz einzigartig. Gnadenlos und entfesselt geht es zu Werke, keine Übertreibung, und, wie das so ist in der Erfahrung von Geschwindigkeit und (vermeintlicher) Monotonie, es stellen sich wiederholt Momente ein, in denen die Raserei in Stillstand aufgehoben erscheint, die Rastlosigkeit in einen quasi meditativen oder tranceartigen Zustand führt und aus der anfänglichen Orientierungslosigkeit (ausgesetzt, »lost in music«) heraus eine geschärfte Wahrnehmung entsteht. So gestimmt offenbart sich, tja – was? Die Einsicht in die unvermeidliche Vergänglichkeit und Endlichkeit alles Irdischen, die Empfängnis von Gewissheiten aus anderen, höheren Sphären? Death is (not) the end? Ich weiß es doch auch nicht! Aber ich fühlte mich während des Hörens des Albums an die Erzählung »Skogtatt« von Ulrike Serowy erinnert, in der sie den nächtlichen Erfrierungstod eines Black-Metal-Musikers auf dem Nachhauseweg von der Bandprobe beschreibt. Die Erzählung hantiert geschickt mit mythischen wie profanen Wissensbeständen, und ähnlich scheint mir die Musik von Paysage d’Hiver zu funktionieren. Schnee, Eis und Kälte als Naturgewalten und übermenschlich erscheinende Entitäten bzw. dem Schicksal von Menschen gegenüber gleichgültige Materie mit ggf. schlichten, biologischen Konsequenzen für im Ernstfall mangelhaft ausgerüstete Exemplare der Gattung. Es gibt kein schlechtes Wetter, nur falsche Kleidung. Tod durch Erfrieren. Aus die Maus. So weit wird es vor der Stereoanlage nicht kommen, aber warm anziehen sollte man sich schon, bevor man sich aufmacht, »Die Berge« zu erkunden.

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