Black Metal. Da hatte ich 1992 gerade noch so Darkthrones »A Blaze In The Northern Sky« mitgekriegt, da ich – als Metal-Landei – ein paar Peaceville-CDs auf Klassenfahrt in Berlin gekauft hatte (u. a. »Gothic« von Paradise Lost) und das Label irgendwie im Auge behielt (»Rock Hard« lesen). Gründerväter des Black Metal wie Venom, Bathory, Hellhammer oder Celtic Frost waren mir ein Begriff und ich hatte auch einen Schwung Earache-Veröffentlichungen (Carcass, Cathedral, Napalm Death, Bolt Thrower, Nocturnus, Morbid Angel) zu Hause herumfliegen, aber – das macht ja den entscheidenden Unterschied! – das waren alles Doom, Death Metal oder Grindcore Bands, die ich da anhörte. Vor allem war ich ein Fan von Entombed, deren »Wolverine Blues« 1993 die letzte Metal-Veröffentlichung war, der ich für lange Zeit Aufmerksamkeit schenken sollte. Ich kam dann nämlich »raus« von zu Hause, lernte neue Leute mit anderen musikalischen Vorlieben kennen und Metal war nicht mehr »cool«. Sicher, den Unfug in Norwegen, die brennenden Kirchen und den Mord an Euronymous, auch das bekam ich noch mit – ein Grund mehr sich abzuwenden. In den 23 Jahren seitdem ist einiges passiert. Metal ist längst keine Subkultur mehr, die vornehmlich Kids aus weißen (aber auch migrantisch geprägten) Arbeiterkulturen anzieht und weder im Radio noch im Musikfernsehen gespielt wird. »Thrash in Altenessen« war gestern. Metal, welcher Spielart auch immer, hat, wie Fußball, seit den Neunziger Jahren eine steile gesellschaftliche Karriere hingelegt, deren Wohl und Wehe ich hier nicht beurteilen will, aber – so viel Vulgär-Bourdieu muss sein – das »coole Wissen« über Metal dient zur Distinktion längst auch dort, wo neben Mayhem auch Moondog, My Bloody Valentine oder Messiaen in der Plattensammlung des jungen Menschen in der postgraduierten Phase stehen, denn Metal ist (wieder) cool – nicht zuletzt Black Metal. Fragen Sie Dietmar Dath, der während seiner Zeit bei »SPEX« zur quasi akademischen Rezeption von Metal sein Scherflein beitrug, wenn Sie mir nicht glauben wollen … Und damit kommen wir nun endlich zu Sun Worship und ihrem zweiten Album »Pale Dawn«. Die lassen nämlich im Waschzettel zur Platte ausrichten, von Moondog und Manuel Göttsching ebenso Einflüsse zu beziehen wie von Mayhem. Das mag sein und dient als Beleg oben angesprochener Perspektiven – man hört es aber zum Glück nicht! Sun Worship spielen – dem gehörnten Gott der Unterwelt sei Dank! – keinen irgendwie auf Crossover oder ausgestelltes Schlaumeiertum hin angelegten »Hipster-Scheiß« (wie beispielsweise Liturgy es tun). Die diskursive Rahmung von »Pale Dawn« mag dazu dienen, nicht in der Genre-Gruft eingeschlossen zu werden, auch laufen die drei nicht in Corpse Paint durch Berlin, wo sie wohnen. Gut so. Aber die vier Songs auf »Pale Dawn« sind geradliniger Metal. Dynamisch, abwechslungsreich und zumeist rasend schnell gespielt. Das geht gut ab. Schnörkellos und zumeist voll auf die Zwölf und mit der notwendigen Dramatik vertont. Feine Unterschiede in der Etikettierung – Cosmic-, Transcendental- oder Ambient-Black-Metal? – überlasse ich an dieser Stelle liebend gerne anderen. Wie gesagt, ich bin mehr oder weniger seit 1993 »raus«. Die Titel der vier Songs auf »Pale Dawn« geben Anregungen, sich gedanklich ein paar Welten und damit einhergehend einen möglichen »Sinn« zusammen zu spinnen: »Pale Dawn«, »Lichtenberg Figures«, »Naiad«, »Perihelion« verweisen auf romantische, physikalische, antike und kosmische Motive. Das ist schön, aber nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass »Pale Dawn« ordentlich abgeht. Sun Worship, kein Bullshit. Ende der Durchsage.
Sun Worship
»Pale Dawn«
Golden Antenna
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