© Kevin Burkett, Wikimedia Commons, CC BY-SA 2.0
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Ozzy Osbourne †

Drei Wochen nach seinem Abschiedskonzert im heimischen Birmingham verstirbt der Rocker und Reality-TV-Star.

Der seit Jahren an Stammtischen beliebte Witz funktioniert seit dem 22. Juli 2025 nicht mehr so gut: Jede Art von Gesundheitsfürsorge und vernünftigem Lebenswandel würde doch durch Black Sabbath eindrucksvoll widerlegt, denn alle Bandmitglieder seien noch am Leben, obwohl sie sich jahrzehntelang nur von Drogen ernährt hätten. Nicht ganz falsch, 76 Jahre sind wirklich ein eindrucksvolles Alter für Ozzy Osbourne, der ein solch hartnäckiger und übermäßiger Säufer war, dass seine Ehefrau sämtlichen Barkeepern im Umfeld seines Hotelzimmers verbieten musste, ihrem Mann Alkohol auszuschenken, nur um ihn dann doch wieder sternhagelvoll in der Gosse zu finden. Wie dies möglich war, nachdem die Hotelleitung den Kellnern mit Strafe gedroht hatte, wenn sie dem Prince of Darkness Alkohol servieren? Osbourne war in die Kleider seiner Frau geschlüpft und schüttete sich unerkannt als Crossdresser zu. Dumm war er nicht, der Ozzy, und eben auch zielstrebig.

Der Prinz der Dunkelheit als Stehaufmännchen

Ozzy Osbourne hat im Leben dreimal Karriere gemacht. Zunächst bei der Begründung des Heavy Metal mit Black Sabbath. Die ersten beiden Alben der Band gelten heute als kanonisch und epochal. Die Geschichte des Rock ist nämlich schnell erzählt. Im Jahr 1958 veröffentlicht Chuck Berry »Johnny B. Goode«, der nominell als Rock’n’Roll geltende Song ist de facto der erste Rocksong. Im August 1970 bringen Black Sabbath die Nummer »Paranoid« raus. In den zwölf Jahren dazwischen entstanden sämtliche Subgenres des Rock, die seitdem nur mehr variiert werden müssen. Osbourne und Black Sabbath waren somit das Siegel der Rockpropheten, ihr kruder Gespensterklamauk war der letzte originelle Einfall. Einer, der der Band übrigens durchaus peinlich war. Black Sabbath waren nämlich Außenseiter der Rockszene und litten darunter. 

Während ein gewisser Herr Jagger Buchhaltung an der London School of Economics studierte, die Pink Floyds Architektur und auch irgendwie alle anderen Hochschulbildung besaßen, waren Black Sabbath Schulabbrecher und schleppten sich wenig erfolgreich durch Lehren. Legendärerweise säbelte sich der Gitarrist Tony Iommi die Fingerkuppen in der Schreinerwerkstatt ab und musste mit Plastikkappen spielen, was den dunklen Sound der Band aber clever verstärkte. Noch Jahre später erzählten die Bandmitglieder wie kleine Kinder, dass Frank Zappa zu ihnen gekommen war und bei ihrem Auftritt im Madison Square Garden mitspielen wollte (das hat Zappa damals so gemacht, sein Einfluss und Ansehen in der Szene waren in jenen Jahren gigantisch). Die vier von Sabbath waren fest überzeugt, dass der Vordenker des Rock sie auf den Arm nehmen wollte, aber der meinte: »Nein, nein, ich mag eure Songs wirklich.« Der Auftritt kam nicht zustande, weil man bei bereits vollbesetzter Halle Zappas Equipment nicht verkabelt bekam.

© Warner Bros. Records, Wikimedia Commons, Public Domain

Auch die Achtziger glückten

Ozzy Osbourne hat nie einen Hehl draus gemacht, dass er die ganze Chose mit dem Hexensabbat und Teufelsglauben für einen Marketingschmäh hielt. Aber es passte sehr gut zum Sound der Band und irgendwie ist jeder Mensch ab einer bestimmten Promilledosis ja auch ein bisschen spirituell. Die ersten beiden Black-Sabbath-Alben sind heute noch sehr gut hörbar und aus einem nahtlosen Guss. Auch sind die Texte durchaus weniger peinlich als bei vielen anderen, hochgebildeten Zeitgenoss*innen. Osbourne feierte diesen Erfolg ausgiebig und war dabei sicherlich mehr als einmal ein gewaltiger Arsch. Wie witzig ist es, den Bart des schlafenden Bassisten in Brand zu stecken? Schweren Herzens mussten die anderen Osbourne aus der Band komplimentieren, weil es mit dem Drogenwrack einfach nicht mehr ging. 

Beiden tat dies gut, denn sie schafften dadurch den Sprung in die Achtziger, in denen der Rock schneller werden musste. Black Sabbath lud Ronnie James Dio in die erste Reihe und Osbourne bekam von seiner umtriebigen Frau und Managerin Sharon den Gitarristen Randy Rhoads an die Seite gestellt. Das fröhliche Griffbrettgewichse nahm seinen Lauf. Die Achtziger waren somit sowohl für Black Sabbath und Ozzy Osbourne verrückt erfolgreich. Die Platten sind heute allerdings zumeist nur mehr nach vorherigem Anlegen von Stretchjeans und der daraus folgenden Durchblutungsstörung genießbar. Dennoch, Osbournes Karriere ging weiter und gipfelte in der Erfindung des Reality TV.

Die ganze Familie spielt mit

Mit der MTV-Serie »The Osbournes« wurde der schwerreiche Heavy-Rocker nochmals schwerer reicher und es gelang ihm mit zahlreichen Spin-offs, seine ganze Familie zu promoten. Das Konzept der »scripted reality« ist leicht erklärt: Das Publikum darf bei den Promis ins Wohnzimmer schauen und sich ihre mal mehr und mal weniger gescheiten Sprüche anhören. Eine Teilhabe am Leben der Reichen wird vorgegaukelt, inklusive falscher Versöhnung des »Ach die haben’s auch nicht leicht.« Das Arbeiterkind Ozzy Osbourne wurde so zur Speerspitze der Verhöhnung des Klassenkampfes. Er machte damit zugleich den Weg für die Kardashians und Geissens dieser Welt frei und welch blasser Abklatsch unerreichter Größe wäre unsere Gesellschaft heute ohne die? Und ja, alle, die bei diesen Serien mitarbeiten, werden fraglos in der Hölle landen. Aber da kam Ozzy ja bereits her. 

Jahrzehntelang organisierten Sharon und Ozzy Osbourne das Ozzfest, bei dem sich in Europa und Nordamerika die großen Acts des Hardrock die Türklinke in die Hand gaben. Was Marketing betrifft, machten den beiden wirklich keiner was vor. So auch beim letzten Akt vor drei Wochen im ausverkauften Stadion in Birmingham. Ozzy konnte nur mehr in einem großen, schwarzen Sessel sitzen und seine Stimme versagte häufig. Das war aber unerheblich, denn alle im Publikum waren textsicher. Ozzy Osbourne schrie in die Arena: »Ohne euch wäre dies nie möglich gewesen. Ich liebe euch alle.« Das war nicht gelogen.  

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Text
Leslie Samtpfote

Veröffentlichung
24.07.2025

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