»Bye Bye Bird«

Nina Garcia, eine in Paris lebende Musikerin, erforscht in experimenteller Absicht Möglichkeiten zur Klangerzeugung mittels elektrischer Gitarre. Da ist sie nicht die erste, und sicher auch nicht die letzte. Nicht zufällig klebt auf der Cellophan-Hülle ein Hype-Sticker, den ein Zitat von Thurston Moore ziert, und der steht ja einer zumindest etwas größeren Öffentlichkeit als umtriebiger improvisierender Gitarrist mit Hang zum Krachmachen im Bewusstsein. Bereits mit Sonic Youth hat er für viele Wege ins weite Feld avantgardistischer Klangforschung geebnet. Gehen wir noch weiter zurück, dann kommen wir über Fred Frith oder Hans Reichel zu Jimi Hendrix und haben so an die 60 Jahre Stromgitarrenlärm im Blick. Was will ich damit sagen? Die historischen Vorgänger werfen lange Schatten und die Flut an zeitgenössischen Veröffentlichungen reißt nicht ab, und vor diesem Hintergrund ist es ja wirklich nicht einfach, aufzufallen. Da hilft es, auf einem prominenten Label wie Ideologic Organ verlegt zu werden. Die Veröffentlichungen des Labels bestimmt Stephen O’Malley, der mit Sunn O))) ebenfalls für ordentlich Krach und Schalldruck sorgt. Der abwechslungsreich kuratierte Katalog von Ideologic Organ ist schon so etwas wie ein Qualitätssiegel, und »Bye Bye Bird« entspricht dem Standard, den das Label verbürgt. Das ist nicht selbstverständlich. In der versunkenen Arbeit am Material, am ästhetischen Ausdruck besteht die Gefahr, das Publikum hinter sich zu lassen. Übers Bearbeiten des Instruments, die immer weiter schreitende Klangforschung in Echtzeit kann einem die Form aus dem Blick geraten. Wie aus dem struppigen Dröhnen, Rauschen, Knarzen und Kreischen ein Album herausschälen? Diese Aufgabe zu meistern, gelingt Nina Garcia vortrefflich. »Bye Bye Bird« ist ein vielfältiges und kurzweiliges Album, denn die zwischen eineinhalb und siebeneinhalb Minuten langen Instrumentalstücke weisen sehr unterschiedliche, immer fein gesponnene musikalische Texturen auf und sind sorgfältig editiert, und so verliert man beim Zuhören nie den Faden.