Der Name der Band The Tiller & The Tide ist bei ihrem Debütalbum Programm – das Meer zieht sich als Leitmotiv durch »Nero’s Prospect«: Sei es in Form von poetischen Texten über Seemänner, in den Fotografien des düster gestalteten Artworks oder bezüglich des Instrumententeppichs, der sich dem Zuhörer wie eine Welle offenbart, die ihn mit den ersten Klängen umschlingt und für eine knappe Stunde in träumerische Parallelwelten entführt. Manchmal scheint es, als würden sich die Musiker den unterschiedlichen Strömungen des Meeres widerstandslos hingeben, dann wiederum steuern sie stilsicher mit der Ruderpinne (auf englisch »tiller«) durch die Wogen.
Gerade mal acht Lieder sind das Ergebnis eines achtzehnmonatigen Schaffensprozesses und trotzdem deutet alles darauf hin, dass die in Leipzig ansässige Band ihren eigenständigen Stil und Ausdruck gefunden hat. Dies erstaunt nicht, trägt die Zusammenarbeit der beiden Gitarristen und Singer-Songwriter Robert Eder und Stephen Willis doch bereits seit einigen Jahren Früchte. Kennengelernt haben sich der Steyrer und der Australier einst in Salzburg. Es folgten gemeinsame Tourneen durch Willis Heimat in Down Under, schließlich zog es sie nach Europa zurück. Seit dem Frühjahr 2010 komplettieren Johannes Sens am Schlagzeug, Markus Wagner am Bass und Friederike Bernhardt am Piano die Formation. Produziert wurde das Debütalbum von The Tiller & The Tide im Studio von Markus Birkle, dem Gitarristen von Die Fantastischen Vier.
Bei »Nero’s Prospect« verschmelzen akustische und atmosphärische Elemente. Zarte Akustikgitarrenriffs, weiches Klavierspiel, melodische Basslinien und sanft angeschlagene Becken begleiten die sensibel harmonisierten Gesangslinien, die ein Gefühl der Intimität hervorzaubern. Immer wieder werden die von der Melodie getragenen Songs durch komplexe, Rhythmus getriebene Klangflächen nuanciert, so dass sie zwischen Stärke und Zerbrechlichkeit, zwischen Energie und Melancholie oszillieren. Der musikalische Einfluss von Bands wie Iron & Wine, Elliot Smith, Bon Iver, Sun Kill Moon, aber auch Modest Mouse ist dabei unverkennbar. Insbesondere der letzte Track, der in Zusammenarbeit mit dem Blue Deck Horn Quintet entstand, ist eine ?berraschung: Nach sieben ruhigen Songs baut sich die instrumentale Improvisation »The Fraxern Surge« langsam aus der Stille heraus auf und verabschiedet sich mit einem dramatischen Getöse.