Metamorphosis sind wohl das, was der Amerikaner als »hard-working band« bezeichnet. Vier junge Männer, die das dreissigste Lebensjahr umkreisen, kaum Geld zum Leben haben, seit ihrer Kindheit diverse Musikschulen und Konservatorien durchlaufen haben, um diese für eigene neue Musik wieder zu verlassen, vier Menschen, die nicht den klassischen Weg mit rechtmäßigen Ausbildungsdiplom ansteuern, weil sie eines ganz genau wissen: Wer eine Vision umsetzen möchte, muss durch die eigene Schule gehen. Und so drücken sie seit nunmehr sechs Jahren mit Cello, Violine, E- und akustischer Gitarre gemeinsam die Schulbank, wobei jeder mal den Lehrer spielen darf.
Mit ihrer zweiten Veröffentlichung »Dip« haben sie sich ihrer Vision schon ein Stückchen angenähert. An Perfektionsdrang mit Hang zur Virtuosität mangelt es der Band ja nicht.
Ihre Filmscore-artigen Songs, die sich in schnellen Wechseln vom meist melancholischem Grundzustand zu Stakkato-Ausbrüchen bewegen können, ihr bewußter Eklektizismus, der sich an Stravinsky, Schostakowitsch und Wagner ebenso bedient wie an House oder ungarischer Folklore kann nur funktionieren, wenn das eine im rechten Mass zum anderen eingesetzt wird. Sprich: Metamorphosis wiegen ab – oft jahrelang, bis ein Stück die Reife erlangt hat, dass es für würdig befunden wird, auf CD gebrannt zu werden. Und so sitzen sie in ihren Proberaum-Küchen, spinnen Geschichten, die ins lächerlich-absurde und surreale gehen können und kommunizieren über ihre Instrumente.
Frustration
Ihre bisherige Nicht-Beachtung in Üsterreich nehmen sie nicht gerade mit Gelassenheit hin. Immerhin hat es das tschechische Staatsfernsehen bereits zweimal geschafft eine Dokumentation über die Band zu bringen, was sich auch etwas in den Verkaufsahlen niedergeschlagen hat. Aber warum sollte es einem selbst toll anders gehen als vielen anderen österreichischen Musikern? Wie diese quälen sich auch Metamorphosis seit ihrer Gründung mit Jobs rum, die ihrer Kreativität viel Zeit und Kraft rauben und meistens so wenig einbringen, dass selbst das Geld für Saiten oder Reparaturen erspart werden muß. Den Traum eigenständig von Musik, wenn schon nicht zu leben, dann zumindest »existieren« zu können, geben sie dennoch nicht auf. Zu ihren Bedingungen natürlich! Schließlich ist Frustration durch Nicht-Erfolg gepaart mit handwerklichem Geschick stets eine Talentschmiede des Austro-Mainstreams gewesen. Und Studiomusiker am Reservebankerl will wohl keiner werden. Oder wie Violonist Christoph Pajer meint: »Irgendwann ruft dann der Christian Kolonovits an, weil er drei Geigenspuren für »Mia san de Wöd« braucht. Bevor ich so ende, sitz‘ ich lieber im Büro«. Wo er sich dann auch über die quasi-Monopol-Situation und Ignoranz des österreichischen Musikjournalismus ärgern kann, der schon des längeren außer bravem Promozettelabschreiben kaum eigenständiges hervorgebracht hat.
Nachtasyl
Auch wenn Teile der Gruppe schon in Bruck/Leitha erste musikalische Anfänge setzten, begonnen hat alles in Wien. Das Wiener Kellerlokal »Nachtasyl«, als Keimzelle tschechischer Exilanten-Subkultur vom ehemaligen Charta 77-Aktivisten Jiéi Chmel 1986 gegründet, war seit den frühen Neunzigern eine Anlaufstelle für viele Musiker aus der nicht allzu entfernten mährischen Hauptstadt Brno. Neben der gern gesehenen impulsiven Violinistin Iva Bittová oder dem Schlagzeuger Pavel Fajt waren es v.a. Bands wie Dunaj und ihre Projekte E oder Rale, die das »Nachtasyl« in regelmäßigen Abständen füllten. Unter den Gästen fanden sich auch die Metamorphosis-Gründer Pajer oder Martin Alaçam, die sich vom musikalischen Idiom der Gruppen nicht nur beeinflussen ließen, sondern bald selbst dazu beitrugen, es um ein Stück zu erweitern. Mit dem Einstieg von Richard Deutsch an der E-Gitarre und Christof Rothaler am Cello erwuchs das Duo schnell zum Quartett. Erste Auftritte in Tschechien, Italien, Deutschland oder Russland folgten, wenn auch die Kontexte sehr unterschiedlich waren. »Einmal haben wir in Bremen vor 50 Punks gespielt und tags drauf in Husum an der Nordsee vor einem fein gesackelten Publikum in einem Konzertsaal und beide Male hat es funktioniert. Für Irokesen- wie auch für Krawattenträger«. Vor einer Anbiederung an die Hochkultur hat man wenig Angst. »Die Leute müssen sich an uns anbiedern« meint Pajer. Es sind ja gerade solche Kontraste, die einem dem Tournee-Alltag entreißen.
So geht es auch demnächst wieder ins Ausland. Neben Italien, stehen Paris und andere französische Grosstädte am Terminkalendar. Nach einem kurzen Wien-Aufenthalt samt CD-Präsentation (siehe unten) geht es dann weiter nach Holland und etwas später in die USA, wo man schon am 11.9. hätte spielen sollen.
Metamorphosis-Nebenprojekte:
Pajer: ground/lift, Ennoson/Pajer, Boo; Musik für Theaterproduktion
Deutsch: Vanduo, SingSing; Filmmusik
Alaçam: SingSing; Musik für Theaterproduktion
Rothaler: Konsorten TM