»I have the feeling, you are fooling with me«, singt der Esel in einer düsteren Waldlandschaft, der schlafend in einem Albtraum gelandet zu sein scheint, aus dem er sich mit Singen und Tanzen befreien will. Swingende Musik, und der braune Esel in weißer Matrosenuniform steppt von seinem Boot zum Ufer eines düsteren Teiches. »Ich werde das Gefühl nicht los, dass du dir mit mir einen Spaß erlaubst … laughing up your sleeve«, besingt der Esel das alte Kindergefühl, dass sich ein Erwachsener über sie lustig macht, sie zum Narren hält. Ohne, dass man es genau festmachen kann.
Komplett finster ist der österreichische Pavillon auf der Kunst Biennale Venedig und es dauert, bis sich die Augen an die Umgebung gewöhnen. Kinoartig groß läuft Mathias Polednas Zeichentrickfilm »Imitation of Life« immer und immer wieder. Alle paar Minuten wird es komplett finster, dann beginnt der Film von vorne. »I got an ocean of make belief«, singt der Matrosen-Esel, »you got some hocuspocus in your eyes« und drückt auf bittere Weise den Kinderwunsch nach Frieden, Liebe und Harmonie aus, eine Sehnsucht, die aber enttäuscht wird. Dieser Esel wird das Gefühl nicht los, betrogen zu werden, hereingelegt, er singt und spricht wie ein Kind mit hoher Stimme. »Live is worth living, as long as it helds moments of paradise.« Der populäre Song aus den 1930er Jahren soll an die Trickfilmindustrie der späten 1930er und frühen 1940er Jahre erinnern. Poledna fertigte 5.000 handgezeichnete Skizzen an. Reale Kinder protestieren dagegen, den dunklen Saal zu verlassen, denn indirekt hat der Film eine positive Message: Vertrau‘ deinem eigenen Gefühl, das dir sagt, hier stimmt was nicht! Ob man »Imitation of Life« mit seinem braunen Esel in seiner weißen Seemannuniform, aber auch auf den Nationalsozialismus hin interpretieren kann, von dem sich viele Menschen dazu bringen ließen, ihren eigenen Werten und Sinnen nicht mehr zu trauen, sondern sich als »Herrenmensch« zu fühlen, wie im Programmtext angedeutet, ist nicht klar. Erwachsenen kann man ja schließlich eine gewisse Selbstverantwortung nicht absprechen.
Metallische Ausbuchtungen
Große blaue Metal Drums mit runden Auskerbungen oder Ausbuchtungen an der stählernen Oberfläche, die wohl eine gewisse Bandbreite an Tönen erzeugen. Schwarze und weiße ältere Damen, die im Melodians Steel Orchestra mit konzentrierten Gesichtern spielen, darunter eine junge Frau mit rosa gefärbten Haaren und ein Afrobrite, der in die Kamera strahlt. Der Rhythmus scheint durch die dicken Schläger, das weite Ausholen, um eine Spur verlangsamt. Im britischen Pavillon ist der Film »English Magic, 2013« ein voller Erfolg. Dicht gedrängt und fröhlich stehen die Menschen in dem kleinen Zimmer und lauschen immer wieder der »Symphony in D minor« (Cesar Franck, 1888) bzw. »The Man Who Sold The World« (David Bowie) und »Voodoo Ray« (Gerald Simpson), arrangiert von Mitgliedern des Orchesters selbst. Es beginnt langsam, untergründig, lange hängen die Töne nach, wie unterirdisch, dann geht’s plötzlich melodiös los, das Orchester schwingt sich zu ungeahnten Höhen auf: Wie ist das möglich, dass man mit Metal Drums so melodiös spielen kann?! So eine Bandbreite von Tönen erzeugen? Simpel und gleichzeitig herzzerreißend schön. Reduziert und instrumental klingen die Songs beinahe noch schöner als die Orginale und bringen einen ganz eigenen Sound. Im Film werden Autos zerquetscht, auf einem Metallverwerterplatz eingestampft – erst spät realisiert man, dass man auf einem dieser in Quaderform gequetschten Autos sitzt. Eine Eule fliegt, ein Adler in der Luft, auf einer Art Fake Demo winken falsche Soldaten und Polizisten. Die Zuschauer lächeln. Das Militär schlenkert die Arme im Takt der Musik. Es gibt verkleidete »Furniture Makers« und Demonstranten mit dem Schild »Chartered Secretairies« – und immer wieder ist Militär hinein geschnitten.
»Jeremy Deller brachte auch mal eine Brass Band dazu, Acid zu spielen«, erzählt die junge Britin, die die Schallplatte verkauft. Ein kleines britisches Mädchen in rotkariertem Kleidchen weigert sich laut schreiend vom Film fortgetragen zu werden. »Why?«, fragt es immer wieder und freut sich, als im Film Kinder auf einer Luftkissenburg, die wie Stonehenge aussieht, Saltos schlagen. Pralles freudiges Leben. Diese Musik hat befreiende Wirkung. Nix gegen den jungen David Bowie, von dem im »English Magic«-Pavillon Fotos an der Wand hängen, aber im Vergleich zum Melodians Steel Orchestra wirkt die Originalfassung fast ein bisschen kitschig.