Gobelin für das Ärztehaus in Linz. Entwurf von Poldi Wojtek-Mühlmann. Quelle: »Die Kunst im Dritten Reich«, 2. Jahrgang, Folge 12, Dezember 1938 © Bildarchiv Memory Gaps, 2017
Gobelin für das Ärztehaus in Linz. Entwurf von Poldi Wojtek-Mühlmann. Quelle: »Die Kunst im Dritten Reich«, 2. Jahrgang, Folge 12, Dezember 1938 © Bildarchiv Memory Gaps, 2017

Maske ab!

Seit Jahrzehnten verwenden die Salzburger Festspiele das Sujet der Grafikerin Poldi Wojtek als Logo. Bis vor Kurzem hatte diese »offiziell« so gut wie keine Biografie und galt daher als politisch unverdächtig. Die digitale Kunstinitiative Memory Gaps konnte diese Erinnerungslücke nunmehr schließen.

Die Grafikerin Poldi Wojtek war eine Profiteurin des NS-Regimes; zwischen 1933 und 1945 weder ahnungslos noch unpolitisch, sondern eine Karriereopportunistin ihrer Zeit. »Entjudungserlös Helene Taussig«, lautete der Name eines NS-Sperrkontos bei der Landes-Hypothekenanstalt Salzburg im Jahre 1942. Hinter diesem Sperrkonto, auf das 17.100 Reichsmark einbezahlt wurden, steht eine Salzburger Tragödie, über die allzu oft der Mantel des Schweigens gebreitet wurde.

Die Wojteks, ein »Family Business«
Helene Taussig, Malerin und Eigentümerin einer Atelier-Villa in Anif bei Salzburg, war kurz vor ihrer Ermordung durch die NS-Schergen im März 1942 behördlich gezwungen worden, ihr Haus zu verkaufen. Käufer der Villa war der angesehene Salzburger Hofrat Ing. Josef Wojtek, der u. a. auch als zuständiger Beamter für konfiszierte Repräsentationsgebäude in Erscheinung trat. Bereits im Frühjahr 1938 war er – nach der Enteignung von Max Reinhardt – kommissarischer Leiter des Schlosses Leopoldskron.

Rund um Weihnachten 1942 zeigte sich Hofrat Wojtek von seiner großzügigen Seite und schenkte seiner Tochter Poldi, Grafikerin und Gestalterin des bis heute verwendeten Sujets der Salzburger Festspiele, die Atelier-Villa. »Aryanization«, vermerkten die US-amerikanischen Militärbehörden nach dem Krieg auf dem »Kaufvertrag« des Vaters Wojtek und auf dem Schenkungsvertrag an seine Tochter; »Arisierung«.

Poldi Wojtek nahm die Schenkung gerne an, denn das Haus, das ihr Vater am 1. Oktober 1941 »ohne jeglichen Druck auf Fräulein Taussig rechtmäßig erworben« hatte, wie sie den US-amerikanischen Militärbehörden 1946 mitteilte, sei schließlich seit Jahren leerstehend gewesen. Die Vorbesitzerin, Fräulein Taussig, sei aus der Gemeinde Anif hinausgeworfen worden und »starb kürzlich in Polen«.

Vom Kunsthistoriker zum NS-Kunsträuber
Poldi Wojtek war von 1932 bis 1941 mit Kajetan (Kai) Mühlmann, einem Kunsthistoriker, SS-Offizier und späteren NS-Kunsträuber, verheiratet. Dieser hatte bereits im Laufe der 1930er-Jahre maßgebliche Kontakte in die NSDAP, u. a. zu Hermann Göring geknüpft. 1938 war er zu Besuch bei Adolf Hitler, auf dessen Berghof am Obersalzberg, als dieser am 12. Februar den österreichischen Bundeskanzler Kurt Schuschnigg brüllend demütigte und ihm das sogenannte »Berchtesgadener Abkommen« aufzwang. Durch das NS-Netzwerk ihres Ehemannes erhielt sie zahlreiche Aufträge, wie u. a. den Entwurf eines Gobelins für das Ärztehaus in Linz, mit NS-Reichsadler- und Hakenkreuzmotiv samt Hitler-Zitat aus dessen Linzer Rede vom 12. März 1938.

Bereits 1936 illustrierte Wojtek, laut Katalogisat »Leopoldine Mühlmann«, ein propagandistisches Kinderbuch, das die Lebensgeschichte Adolf Hitlers idealisierte. Der Text zu ihren Illustrationen stammte von Karl Springenschmid, jenem völkischen NS-Schriftsteller, NSDAP- und SS-Mitglied, der als einer der Hauptverantwortlichen für die Bücherverbrennung auf dem Salzburger Residenzplatz am 30. April 1938 gilt.

Mit ihren fünf Interventionen gab die digitale Kunstinitiative Memory Gaps der Gestalterin des heutigen Logos/Sujets der Salzburger Festspiele, Poldi Wojtek, Teile ihrer Biografie zurück. Keine Rückerstattung im Sinne von Restitution, sondern als Füllen einer jahrzehntelang weitgehend offen gelassenen Leerstelle.

Gobelin für das Ärztehaus in Linz. Entwurf von Poldi Wojtek-Mühlmann. Quelle: »Die Kunst im Dritten Reich«, 2. Jahrgang, Folge 12, Dezember 1938 © Bildarchiv Memory Gaps, 2017

Memory Gaps ::: Erinnerungslücken ist eine 2015 gegründete Kunstinitiative. Die Gruppe um die bildende Künstlerin Konstanze Sailer gedenkt mit Mitteln digitaler Erinnerungskultur aller Opfergruppen des Nationalsozialismus, insbesondere ermordeter jüdischer Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen. Dominik Schmidt ist Sprecher der Initiative.

Link: https://www.memorygaps.eu/

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