Im März 2004 trat Slowenien der Nato bei und im Mai auch gleich der EU. Es drängt sich der Verdacht auf, die Repräsentanten des Landes gebärden sich wie Klassenstreber, die der Lehrerin EU ordentlich imponieren wollten. Slowenien sei »EU-fit«, stand gar zu lesen. Welch Hohn für diese Nation, die sich, um Vorzeige-Philosoph Slavoj Žižek zu vereinnahmen, aufgerieben sieht zwischen der Perspektive einer kulturellen Supermacht und einem bleiernen Nationalismus. Dieser hat nicht zuletzt dadurch wieder an Boden gewonnen, dass die Slowenen kurze Unabhängigkeit nun den Verwaltungsstrukturen in Brüssel überlassen haben.
Wenige Tage nach jenem berühmt-berüchtigten 1. Mai auf dem Weg dorthin: Der Zug schlängelt sich durch die engen Talrinnen, bis eine Stunde vor der Hauptstadt die monströs anmutenden Industrieanlagen von Trbovlje auftauchen. Einem durch Laibach mythisierten Nimbus aus verklärt-glücklichen Zeiten des realen Sozialismus gleich, stehen heruntergekommene Gebäudekomplexe trutzig an der geografischen und auch ideologischen Schwelle vom alten zum neuen Slowenien.
Metelkova, die Stadt in der Stadt
Gleich hinter dem Bahnhof befindet sich der Bezirk Metelkova. Strategisch gut gelegen, war in dem 5000m² großen Kasernenkomplex die jugoslawische Volksarmee stationiert. Nach den bürgerkriegsähnlichen Aufständen von 1991 und dem Abzug der Armee wurde das Areal 1993 zu einer Art Freizone, einem von Künstlern, Musikern, Galeristen, Veranstaltern und Sozialarbeitern besetzten Gebiet. 2001 schrieb die kroatische Theoretikerin Marina Gržinic: »Mit Metelkova wurde die Entwicklung von einem passiven Arrangement von Gebäuden in ein öffentliches Environment mittels einer sozialen Topografie realisiert. Metelkova repräsentiert nicht den urbanen Ethos: er wird ersetzt. Die ganze Community von Metelkova ist zur selben Zeit Produzent und Konsument, sie baut eine Stadt in der Stadt.«
Viele der NGOs und Künstler erzählen, dass praktisch alle Förderungen durch das slowenische Kulturministerium abgewickelt werden und private Investoren noch keine Notwendigkeit sehen, einzugreifen. Dadurch ist Ljubljana aber auch noch nicht so »kapitaleuropäisiert« wie etwa Budapest oder Prag.
Für das Interview mit der aus Ljubljana stammenden Videokunst-Kritikerin und Vize-Direktorin der SCCA – Galerie für Zeitgenössische Kunst – Saša Nabergoj wird ein Treffen im zu einem Jugendhotel umgebauten Armeegefängnisgebäude Celica (Zelle) anberaumt. Nabergoj, die sich in ihrer Diplomarbeit mit Metelkova beschäftigte, erzählt: »Das Ende der 1980er gegründete Projekt war die erste organisierte alternative Initiative Sloweniens. Da kamen sozial-engagierte, politische und künstlerische Vereine hinein. Man kann Metelkova durchaus mit dem Wiener WUK vergleichen. Das Projekt hatte seit Anfang an einen sehr starken Rückhalt in der Bevölkerung. Nach dem Rechtsruck 1991 sollte das Gelände in eine Autoparkzone umgewidmet werden. Als Konsequenz darauf wurden im Herbst 1993 die schon recht devastierten Gebäude besetzt. Man war in der paradoxen Situation, dass das Kulturministerium zwar für den Strom aufkam, dieser aber von der Stadt Ljubljana abgedreht wurde. Die fix integrierten Institutionen wie das Theater Gromka, die Galerie Alkatraz, die Clubs Gala Hala, Tiffany und Channel Zero machen ganzjährig Programm. Die politische Situation und damit die von Metelkova ist auch mit der ex-kommunistischen Bürgermeisterin Danica Šimcic unklar. Langfristige Projekte sind nicht planbar, wenn man bedenken muss, dass jederzeit Abrissbagger auftauchen können.«
Für die nächste Saison ist eine Dependance der Moderna Galerija in Metelkova anvisiert. »Die slowenische Identität war immer flüssig und austauschbar. Speziell Ljubljana, das gerade mal 300.000 Einwohner groß ist, ist seit jeher angewiesen gewesen auf kulturellen Austausch. Es ist eine Stadt, die auf Leuten aufgebaut ist, die kommen. Zwar haben in den letzten Jahren die konservativen und sogar xenophoben Positionen stark an Boden gewonnen. Aber die, wie ich hoffe, synergetischen Zusammenschlüsse in Metelkova lassen uns trotz allem in eine fruchtbare Zukunft blicken«, ist Igor Zabel, der Direktor der größten Sammelstelle slowenischer Kunst, der Moderna Galerija, optimistisch.
Nostalgie – Technologie
Wie der Sozialwissenschafter Peter Stankovic in seiner Studie »Rock and Nationalism in Slovenia« ausführt, wurden nationalistische Ressentiments im sozialistischen Regime unterdrückt und brachen Anfang der 1990er Jahre verstärkt durch. Dazu brauchte es nicht erst brutal populistische Strömungen wie Turbo Folk. Gerade die neue Freiheiten förderten einen anti-westlichen Konsens zutage, der vor allem bei so massenwirksamen Bands wie Zaklonišce prepeva und Siddharta als in die kommunistische Vergangenheit gewandte Interpretation des Gedanken des »Nationalen« daherkam – ähnlich dem »Nationalbolschewismus« in den »neuen Bundesländern«. Stankovic nennt diese verklärende Rückschau eine an sich ideologisch wertfreie Nostalgie, die sich aber unter den besonderen Voraussetzungen Sloweniens mit nationalen Ressentiments wunderbar ergänzen ließ.
»In kommunistischer Zeit haben wir uns mehr Richtung Graz oder Klagenfurt orientiert als gegen Maribor. Diese Städte waren für kulturelle Angelegenheiten – Konzerte, Ausstellungen, aber auch Filme – stärkere Bezugspunkte als slowenische. Daran hat sich bis heute nicht allzu viel geändert«, meint der Medienkünstler Igor Štromajer. Zusammen mit seinem von Triest eingewanderten Kollegen Davide Grassi werkt er an den Non-Profit-Netzplattformen intima.org und aksioma.org, die Koordinatennetze aus Video, Musik und Netzkunst immer wieder neu ausloten und sabotieren. Die beiden Mittdreißiger verkörpern jene Generation Kreativer, die ihr Potential in der Zeit der Unabhängigkeit entwickelten und somit noch über realsozialistischen Background verfügen. Gleichzeitig wird der Umgang mit digitalen Kommunikationsmitteln seit gut zehn Jahren kulturviert. Intima und Aksioma haben in den letzten Jahren viel zu Themen wie Information Warfare, Copyright und Fundamentalismus gearbeitet. So u.a. bei »Ballettikka Internettikka«, einer Aufarbeitung von Theater und Terrorismus und bei »The Problem Stock Exchange«. Dafür mutierten Štromajer und Grassi zu Spekulanten und gründeten eine Börse mit eigenem Geld. Aksioma hat sich mit »Demokino« als eine der aktuellsten Projekte dem Cyberspace zugewandt und für das Kollektiv BAST die grafische, Video- und VJ-Inszenierung übernommen. Die bis zu zwölfköpfige Free-Jazz-Soundforschungseinheit unter der Leitung von Matjaz Mancek (Labelchef von -rx:tx; siehe Review im letzten skug) knüpft, ähnlich wie The Stroj mit ihren martialischen Stahlpercussions, an eine »paganistische« Zeit plus modernste Technologie an. In beiden Fällen ist der seit Anfang der 80er bei Bands wie Borghesia aktive Aldo Ivancic als Produzent zuständig. Eine weitere Verbindungslinie zwischen gegenwärtigen Anforderungen und Stancovics »Nostalgie« stellt das 2001 aus dem NSK-Umfeld entstandene Label Tehnika dar. Mit vornehmlich slowenischen Bands (Random Logic, Amderma, Octex) ist zwar die Fährte Richtung Minimaltechno à la Geometrik, Kompakt und +8 gelegt, allerdings immer gegengefedert von einer dunkel eingefärbten und ziemlich steril daherkommenden Aneignung der Vergangenheit zum Zwecke einer nationalen Verortung der Mensch-Maschine-Diskussion für die internationale Community. In Plattenläden wie dem Vinylmania und besonders dem Dallas erntet man zwar überraschte Blicke, wenn man nach Musik aus Slowenien fragt. Nichtsdestotrotz finden sich so unterschiedliche Bands wie Chartsreiter Klemenklemen (HipHop), Bulldožer (HC), Rotor (Techno), die Electronica-Kollektive Miladojka Youneed und Radyoyo oder Lokalheros wie DJ Umek, Videosex (Electro) und Code EP (D’n’B). Sogar die »Kammermusiker« Rožmarinke werden als »independent« geführt, während etwa Pankrti, 2227 und 300.000 Ver
schiedene Krawalle in der CD-Abteilung der örtlichen Shopping Mall Nama zu finden sind.
Geschichtsmächtige Kreativzelle: Škuc
Alenka Gregoric ist seit letztem Jahr künstlerische Leiterin der Galerija Škuc und ist mit ihren 27 Jahren eine der jüngsten Direktorinnen Sloweniens. In Ljubljana geboren und noch immer hier. Nur so war die 1972 gegründete Škuc in der Lage, das schwere historische Erbe in die Gegenwart zu transportieren. »Die Punkbewegung in Ljubljana fand immer schon im Galerienkontext statt, war also sehr stark visuell geprägt. Natürlich gibt es wieder verstärkt den Ruf, sich dezidiert um slowenische Kunst zu kümmern. Das wäre allerdings doppelt durch den Rückspiegel geblickt.« Indes eignen sich die Räume durch ihr »Markenzeichen« – schwarz lackierte Holzböden und Wandverkleidungen, integriert in eine kapellenähnliche Anlage – auch gut für Soundinstallationen, geschehen unlängst etwa bei einem Projekt von KREV (Elggren/von Hauswolff). Für größere Konzerte arbeitet man mit der Musikakademie und dem In-Platz Orto-Bar zusammen. Diese Veranstaltungen werden unter anderem von Marko Peljhan betreut, seines Zeichens langjähriger Mediensaboteur in Gruppen wie Atol und Ropot. Peljhan ist auch Mitbegründer des alternativen Netzverbundsystems Ljudmila LJ Digital Media Lab, an das neben Škuc auch das SCCA und die NSK-Botschaft angeschlossen ist. Beispiel einer gelungenen Vermischung diverser Ansprüche war eine Graffiti-Ausstellung letztes Jahr, zu der neben Arbeiten aus den amerikanischen Ghettos auch IRWIN Exponate beigesteuert hatte. Gregoric: »Da kam viel junges Publikum, während die alten Kunst-»Apparatschicks« mit diesem Pop-Ansatz überhaupt nicht konnten. Wir arbeiten hart daran, dass es wieder heißt: »this crazy Škuc …«.«
Links:
Artservis: www.artservis.org
Moderna Galerija: www.mg-lj.si
Metelkova: www.metelkova.org
Aksioma: www.aksioma.org
Intima: www.intima.org
BAST: www.aksioma.org/bast
Škuc: www.skuc.org
The Stroj: www.thestroj.com