Kaum ein Artist begleitet mich schon seit so langer Zeit wie Anja Plaschg alias Soap&Skin. Ich war 2007 bei der FM4 Soundpark Studio 2 Session #8 im RKH, mit einer damals noch blutjungen und weitgehend unbekannten österreichischen Sängerin am Solopiano. Ich stand 2012 bei einer Secret Show vor der Bühne des Wiener rhiz und hab Anja live dabei zugeschaut, wie sie ihr Pianino zerlegt. Ich habe Soap&Skin 2011 mit Apparat im Flex gesehen und 2019 mit Jungstötter in der Arena, 2016 mit großer Orgel im Wiener Konzerthaus und 2020 mit kleinem Ensemble beim Popfest in der Karlskirche … Kein Auftritt war wie der andere – und doch waren einige Lieder von Soap&Skin seit jeher Teil ihrer Live-Shows.
So auch beim jüngsten Konzert der mittlerweile zur Erzheiligen der heimischen Avantgarde gereiften Künstlerin am Freitag, dem 17. Jänner 2025 abermals im Wiener Konzerthaus, dem ersten Wien-Stopp im Rahmen ihrer Tour anlässlich des im Novembe 2024 veröffentlichten Cover-Albums »Torso«. Dieses Album ist in gewisser Weise eine Rückschau auf Plaschgs Werdegang in den letzten 15 bis 20 Jahren. Man findet darauf ausgewählte und persönlich konnotierte Cover-Versionen von Sufjan Stevens bis Lana Del Rey, von The Doors bis Tom Waits und von Shirley Bassey bis Cat Power. Einige der Stücke gehören seit Langem zum Live-Repertoire von Soap&Skin, etwa »Voyage, Voyage« von Desireless oder »Pale Blue Eyes« von The Velvet Underground. Andere klassische Live-Cover haben es nicht auf die Compilation geschafft, etwa »Me And The Devil« von Robert Johnson oder »Mawal Jamar« von Omar Souleyman. Bei der Show im Wiener Konzerthaus finden jedoch alle diese Stücke zusammen wie Lieder einer Ausstellung, die das bisherige Schaffen von Soap&Skin zusammenfassen – und zugleich ein neues Kapitel in ihrem Werk aufschlagen.
Anfang und Ende
Den Anfang macht dabei das Ende bzw. »The End« von The Doors in einer intimen, aber epochalen Interpretation von Plaschg, bevor sie ihr Ensemble – bestehende aus Emily Stewart (Violine, Gesang), Anna Starzinger (Violoncello), Martin Eberle (Trompete, Flügelhorn, Sampler), Martin Ptak (Posaune, Klavier), Viola Falb (Bassklarinette) und Alexander Kranabetter (Trompete, Horn, Tuba, Harmonium) – zu sich auf die Bühne holt. Mit dem instrumentalen »Meltdown« aus Clint Mansells »Requiem for a Dream«-Soundtrack wird das Publikum im Anschluss gleich einmal wachgerüttelt und für eine anspruchsvolle Darbietung gewappnet. Zuerst gibt es noch einige sanftere Lieder: »This Day« vom dritten Album »From Gas to Solid / You Are My Friend« (2018), »Mystery of Love« von Sufjan Stevens und »God Yu Tekem Laef Blong Mi« aus dem Soundtrack von Hans Zimmer zu »The Thin Red Line«. Mit »Extinguish Me« und »The Sun« folgen Rückblenden zum Debütalbum »Lovetune for Vacuum« (2009), bevor Plaschg mit »Born to Lose« von Shirley Bassey und »Voyage, Voyage« von Desireless wieder in den Cover-Reigen des aktuellen Albums einsteigt.
Die zweite Halbzeit beginnt mit »Pray« von der »Sugarbread« EP (2013) und einem weiteren Fixpunkt aller Soap&Skin-Konzerte, dem hochdramatischen »Vater«, Herzstück des 2012 veröffentlichten zweiten Albums »Narrow«, das Plaschgs verstorbenem Vater gewidmet ist und immer eine besonders fragile und schmerzhafte Stelle in ihren Live-Shows markiert. Im aktuellen Kontext klingt das Stück aber verhältnismäßig sanft und wirkt beinahe versöhnlich, als hätte die Trauer sich über die Jahre zu einer gelassenen Akzeptanz gewandelt. Dafür sprechen auch die darauffolgenden Stücke »Heal« und »Italy«, ebenfalls von »From Gas to Solid«, dem bisher leichtmütigsten Album von Soap&Skin.
Ende und Anfang
Der offizielle Teil des Konzertes schließt mit drei weiteren Cover-Versionen von »Torso«: »Johnsburg, Illinois« von Tom Waits, »Gods & Monsters« von Lana Del Ray und der aktuellen Single-Auskoppelung »Girl Loves Me« von David Bowies letztem Album »Blackstar«, das Anja Plaschg 2018 gemeinsam mit Anna Calvi und Laeticia Sadier unter der Leitung von André de Ridder in einigen ausgewählten Shows komplett live interpretierte, sowie den erwähnten Off-Album-Covers von »Me And The Devil« von Robert Johnson und »Mawal Jamar« von Omar Souleyman. Die Zugaben bestreitet Plaschg nach dem Motto »Linger on« traditionell mit »Pale Blue Eyes« von The Velvet Underground, bevor sie für »Stars« von Janis Ian noch einmal ihr Ensemble auf die Bühne holt und mit »Boat Turns Toward the Port« von »Narrow« den Liederreigen schließt. Ihr Ruf »Stay here, stay here, stay« hallt lange nach und lässt uns in dem Wissen zurück, dass dieses Ende nicht das Ende ist. Anja Plaschgs einzigartige Stimme wird uns weiterhin den Weg weisen wie ein Leuchtturm auf stürmischer See.
Link: https://soapandskin.com/