Wenn zwei sich streiten, freut sich der Laptop. Wer aber streitet? Auf der einen Seite der Jazz, auf der anderen Seite die zeitgenössische Klassik, die sich alljährlich in Mittersill ein hochkarätiges Stelldichein gibt. Für die mittlerweile 16. Mittersiller Schaffensdokumentation hat man den Begriff »Musik« überhaupt unter Fragezeichen gestellt. Mit dem Resultat, dass nicht mehr zwischen Komponistin und Musikerin unterschieden werden soll. Sprechen wir darum also doch besser von Jazz? Und betrachten die Improvisation als Spontankomposition? Und wie ist das mit dem Laptop? Auch nur ein Instrument unter vielen? Oder integraler Bezugspunkt, an dem sich weniger die Geister scheiden, als vielmehr zu einer neuen Synthese finden. Eine Synthese, die Klangbilder und -strukturen der zeitgenössischen Moderne nachhaltig prägt. Da alle Kompositionen auf dieser Doppel-CD direkt in Mittersill entstanden sind – als Resultat eines kommunikativen Zusammenwirkens – darf nicht verwundern, dass »KOFOMi #16« ein doch eher »homogenes Ganzes« bildet. Weniger eine individuelle Leistungsschau ist zu hören, als ein Stimmungsbild. Eine Art Nebel oder Dunstkreis, der auch davon erzählt, wie sehr hier Gleichgesinntes für Gleichgesinnte geschaffen wird. Aber eben deswegen trifft man sich ja in Mittersill. (Die Auflage, sich mit Cello, Akkordeon und Laptop in eine U-Bahngarnitur zu sitzen und so lange miteinander zu komprovisieren, bis das niederkulturelle Zufallspublikum auch etwas damit anfangen kann, ist hier fehl am Platz. Warum ich das erwähne? Ach, nur so.) Einerlei, nicht alles ist homogen, sprich: schwebende, in sich versponnene, flirrende Klangstrukturen, die von elektroakustischem Gestöber/Noise durchzogen sind. Maria Gstättner etwa scheut auf »Eselsohren« keineswegs den ironischen Traditionskniefall, der schließlich ins uferlos Schrille ausfranst (eine Handvoll Werner Pirchner klingt hier womöglich mit?). Zwischen Ironie und fernwärmegeheizten Wohnzimmern bewegt sich auch Anne Wellmer, deren Uraufführung »Die Mittersiller« womöglich sogar in der besagten U-Bahngarnitur punkten würde. Mu-Xuan Lin wiederum hellt das diffus-fragile Klanggeschehen auf »Tentative« mit fast schon popexotischen Fragmenten auf. Dass sich 15 Ausschnitte der Dialektlesung von Theresia Oblasser ebenfalls auf der CD befinden, ist womöglich als Hint auf die außermusikalischen Aspekte des Kompositionsforums (Video- und Klanginstallationen bzw. nicht vorhandene U-Bahngarnituren ??) gedacht. Wolfgangs Fuchs begleitende Miniaturen sind trotzdem die attraktiveren Hörbissen, gerade aufgrund ihrer vielfältig schillernden Zugänge. Das 40-minütige Abschlusskonzert ist die von Patrick Lechner und Kris Delacourt elektroakustisch (but live) präsentierte Gemeinschaftskomposition der Mittersiller. Und spätestens da nimmt er wieder ?berhand, der gute Laptop – und zwängt das kompositorisch-kooperative unter seinen klangstrukturellen Defragmentierungshut. Die Radikalität dieses Zugangs steht außer Frage, aber dass sich hinter einem derartigen Zugang eine poststrukturalistische Reminiszenz (eine Idylle eigentlich) verbringt, ist trotzdem anzumerken. Da plädiere ich doch lieber für die Irreduzibilität der Komponistinnenpersönlichkeit. Und davon zeugt »KOFOMi #16« eben auch.
Diverse/KomponistInnenforum Mittersill
»KOFOMi #16«
Ein_Klang Records
Text
Curt Cuisine
Veröffentlichung
20.06.2012
Schlagwörter
91
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Ein_Klang Records
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