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James Blackshaw

»Unraveling In Your Hands«

Amish Records

Das Comeback des Jahres (in der Nischenwelt des Fingerstyle-Guitar-Genres) erfolgte bereits im letzten November. Da veröffentlichte James Blackshaw über Bandcamp heimlich, still und leise ein neues Album. Nachdem er 2015 »Summoning Suns« herausgebracht hatte, wurde es still um das ehemalige Wunderkind. Zuvor, vor allem in den Jahren 2004 bis 2008, veröffentlichte er eine Reihe beeindruckender Alben, brachte es zu einiger Bekanntheit jenseits der Szene, wurde von Michael Gira (Swans) auf dessen Label Young God geholt und die Sterne standen gut für den jungen Mann. Aber dann kam es nicht so wie erhofft oder geplant. Private wie geschäftliche Rückschläge, Härten und Enttäuschungen führten Blackshaw in den darauffolgenden Jahren dazu, sich mehr und mehr zurückzuziehen und schließlich ganz zu verabschieden. Und dann erschien letztes Jahr unverhofft »Unraveling In Your Hands«, das jetzt von Amish Records auch auf Vinyl verlegt wurde. Aus diesem erfreulichen aktuellen Anlass der nachgeholte Hinweis: James Blackshaw is back! Und er hat es nicht verlernt. Die unverwechselbar kaskadenartig fließenden, melancholisch gestimmten Gitarrenläufe lassen umgehend auf ihren Urheber schließen. So spielt nur einer. Gleich sechsundzwanzig Minuten am Stück lullt der Titeltrack ein. Audiophil orientierte Menschen dürften hier sofort die Augenbrauen heben, denn sechsundzwanzig Minuten auf einer Vinylseite – optimal ist das nicht. Ich kann es in dieser Hinsicht (noch) nicht beurteilen, denn ich sitze hier und höre die digitale Version, während ich schreibe und auf die Schallplatte warte, die per Post unterwegs zu mir ist. Egal, wichtig ist, zumindest für antiquierte Formatfetischisten wie mich, dass Blackshaw für seine Musik auch wieder ein standesgemäßes Zuhause gefunden hat, ein Label und nicht bloß eine digitale Distributionsplattform nutzt, um ein Lebenszeichen von sich zu geben. Ja, ja, die Zukunft, die fossilen Ressourcen, die Nachhaltigkeit, ich weiß, möchte aber gerne, dass an anderer Stelle gespart wird. Komme auch schon wieder vom Thema ab. Wo war ich? Ach ja, »Unraveling In Your Hands«, sechsundzwanzig aufregende Minuten zum Einstieg. Danach folgt mit »Dexter« eine der Kompositionen, die stilistisch eher an die Young-God-Alben erinnert. Ein ruhiges, Ambient-artiges Stück Musik, wie es auch »The Glass Bead Game« (2009) oder »All Is Falling« (2010) entnommen sein könnte. Damals bewegte sich Blackshaws Musik ambitioniert in Richtung Modern Classical Music, einem stilistisch weiten Feld bzw. musikalischen Blumenwiesen, die hier und da ein wenig zu lieblich anmuten können. Andererseits, so romantisch wie seine Musik grundsätzlich gestimmt ist, da entfährt einem eben der eine oder andere sentimentale Seufzer. So auch beim abschließenden, wieder um Gitarre herum arrangierten »Why Keep Still?«. In ihrer repetitiven und darin aufwühlenden Art erinnern James Blackshaws Kompositionen auch an die von Michael Nyman. Dessen musikalische Arbeiten für den Soundtrack von Jane Campions Film »The Piano« können vergleichsweise herangezogen werden, um Blackshaws emotionales Gitarrenspiel zu beschreiben. Große Gefühle also, tief empfundene Emotionen. Kurzum: James Blackshaw ist wieder da, hoffentlich gibt es nicht gleich wieder Tränen. Und wenn doch, dann hoffentlich nur der Freude wegen.

Home / Rezensionen

Text
Holger Adam

Veröffentlichung
19.08.2025

Schlagwörter

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