Die niederländische Black-Metal-Szene beherbergt eine Handvoll Bands, die sich ihr Personal teilen und die Grenzen des Genres unerschrocken ausweiten oder überschreiten. Fluisteraars, Turia, Solar Temple, Nusquama, Lubbert Das, Empyrean Grace oder Iskandr heißen diese Acts und sie bestehen mehr oder weniger aus denselben ein, zwei oder drei Leuten. Mit dem Hinweis auf diese Formationen geht eine uneingeschränkte Empfehlung einher – aber warum? Weil, wie bereits erwähnt, hier mit dem, was Black Metal sein kann, soll oder gar muss, in der Umsetzung auf angenehme Weise unorthodox hantiert wird. Fluisteraars haben 2020 mit »Bloem« ein Album veröffentlicht, das sich stark beim Shoegaze bedient, Solar Temple haben in diesem Frühjahr ein Live-Album herausgebracht, das auch Spacemen 3 gut zu Gesicht gestanden hätte, und Iskandr legen jetzt mit einem atmosphärisch verträumten Album nach, dessen dunkel akzentuierte Wärme historisch in einem vage avantgardistisch-krachig-schrammeligen Kontinuum steht, das von The Velvet Underground über Bauhaus und die ruhigeren Momenten der Swans bis hin zu schon wieder halb vergessenen Bands wie Crystal Stilts oder den wiederauferstandenen Slowdive reicht. Schunkelnd-groovy, bisweilen schwarz-romantisch verschmuster Waldschrat-Shoegaze, manchmal etwas direkter, meistens sehr zurückhaltend arrangiert. Da kann man sich fragen, warum der Rückgriff auf die Herkunft von Iskandr im Black Metal überhaupt noch thematisch werden muss – denn mit Black Metal hat die Musik wirklich nichts mehr gemein. (Die Trve-Fraktion kann natürlich hier gleich geifernd einwerfen, dass keine einzige Iskandr-Veröffentlichung sich je qualifiziert hat, als Black Metal durchzugehen … geschenkt.) Das verbindende Element bleibt die atmosphärische Dichte. Für den Black Metal gilt wie für alle möglichen selbsternannten Outsider-Genres: Feeling vor Fähigkeiten. Und in der Hinsicht steht dann »Spiritus Sylvestris« auch nicht wirklich weit weg von sagen wir mal Ulvers »Kveldssanger«. Was will ich damit sagen? Vielleicht so: Eine gewisse Einfachheit, Direktheit und Unverstelltheit im Ausdruck zeichnet ja das aus, was mit »Authentizität« (die nicht verwesende Diskurs-Leiche) im allgemeinen Pop-Verstand gemeint ist, und die Frage bleibt letztlich immer, ob man der Band, die da spielt, denn abnimmt, was sie da treibt – vor allem, wenn sie sich im Stilbruch übt! Im Falle von Iskandr würde ich sagen, ja, das passt, auch wenn, je nachdem, wie man zum Gesamtwerk der Band steht, »Spiritus Sylvestris« eine ziemliche Herausforderung darstellen kann. Weil die Epik à la Bathory, die Alben wie »Vergezicht« noch ausgezeichnet hat, ist verschwunden, die Faust wird nicht mehr kämpferisch gereckt, sondern mit der flachen Hand beruhigend und sanft die Mähne des treuen Gefährten gestreichelt (siehe Artwork des Albums).
Iskandr
»Spiritus Sylvestris«
Eisenwald
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