Seattle is the place to be: Der disruptive IT-Gigant Amazon sei außen vor gelassen und vielleicht hätte der dort das Licht der Welt erblickt habende Jimi Hendrix auch auf dem zunächst für Grunge Rock bedeutenden Label Sub Pop ein Spätwerk veröffentlichen können … Für HipHop-Begriffe ist nun auch Shabazz Palaces’ neues Album »The Don of Diamond Dreams« ein »late album«. Der nunmehr 50-jährige Rapper und Produzent Ishmael »Butterfly« Butler kehrte nach dem Ende der Digable Planets, Grammy-prämiert in der goldenen HipHop-Ära, in die Boomtown Washingtons zurück und schenkte mit dem Shabazz-Palaces-Debüt »Black Up« Sub Pop 2011 den ersten HipHop-Release. Glorreicher Partner-in-Crime war Multi-Instrumentalist Tendai Maraire, noch dabei beim psychedelischen Super-Sci-Fi-Doppelwurf »Quazarz: Born On A Gangster Star« und »Quazarz vs. The Jealous Machines« 2017. (Die Kurzrezension findet sich hier.)
Snare Rolls und Vocoder-Comeback
2020 betreibt Butler Shabazz Palaces nur noch in Personalunion mit sich selbst und verdammt guten Sidemen. Weit entfernt von den jazzigen, smoothen Tracks der Digable Planets ist sein HipHop abstrakter und nach wie vor visionär. Und afrofuturistisch, mit Musikern vom Seattler Black Constellation Collective, deren Motivation Butler in den avantgardistischen Lyrics aufgreift. »Ad Ventures« besticht mit einer bohrend losbretternden Snare Roll von Laz (Drum Programming, Keys, Vox), konterkariert von Evan Flory-Barnes kühlen E-Bass-Lines, down-zoomenden Keys von Otis Calvin und Darrius Willrich. Wahrlich abenteuerlich, wie hier scheinbar auseinanderstrebende Instrumente sowie Rap und Gesang ineinander sequenziert werden. Schaurig-schön!
Slick und State-of-the-Art gerät auch das daran andockende »Fast Learner«. Der staubtrockene anfängliche Reverb-Trommelwirbel täuscht. Auf einmal klingt Shabazz müde und doch entspannt. Hier geht mit housigen Key-Einschüben die Sonne auf, in epischen Passagen, wo die repetitiv-relaxten Keys-Melodien mit der schmachtenden R&B-haften Vocoder-Stimme des aufstrebenden Talents Purple Tape Nate verschmelzen. Endlich kein Autotune, sondern futuristische Vocoder-Sounds, die Zapp einst groß machten.
Gleich darauf gibt es in »Wet«, das musikalisch überzeugend geile Nässe simuliert, wieder diesen unheimlich abgefahrenen Beat-around, mit grandiosem E-Bass-Solo Richtung Fade-out. »No woman is ever an object« rappt Butler darin, und auch in »Chocolate Souffle« sind der perkussive Shuffle Beat und kontrapunktische »Hey Hey«-Rufe charakteristisch für das Album. Apart tönt auch »Bad Bitch Walking«, irgendwie eine Lobpreisung der weiblichen Verführungskraft, wo Stas THEE Boss, die eine Hälfte des futuristischen Female-Rap-und-R&B Duos THEESatisfaction, zunächst anregend flüsternd, klarerweise auf Augenhöhe mit Butler kommuniziert. Der Song beginnt mit knackiger Drum/Bass-Verzahnung und beeindruckt mit genial relaxtem, housigem Sound sowie supercoolen funky, funky Keys und Bässen.
Funk-Space-Hop
Allmählich kippt der Sound mehr und mehr in ein megaentspanntes Universum. Sun Ras Space Jazz, den Butler verinnerlicht hat, geht bei Shabazz Palaces in einen funky Mothership-Space-Hop über. »Money Yoga«, mit schläfrig-uplifting Keys, ist eine Reflexion über die Glitzerwelt einer Pop Culture Society, die nur wenige reich macht. Afroamerikaner*innen sorgen für ihren eigenen Mainstream, der immerhin mit seinen Empowerment-Faktoren Akzente gegen die andauernde Benachteiligung setzt. »Thanking The Girls« ist dann so etwas wie eine Ode an die Frau, mit edler R&B-Vocoder-Begleitstimme. Shabazz Palaces driftet gänzlich in eine funky, spacey Parallelgalaxie. Auf dem finalen »Reg Walks by The Looking Glass« mit bezauberndem Saxofon von Carlos Overall, Lazʼ geschmeidiger Gitarre, Evan Fory-Barnes irren Bassläufen und herrlichem Vocoder-Gesangsschmalz Butlers verliert sich Shabazz Palaces im All.