»In ein gefiede Zeit zutage«, verkündet die Computerstimme auf General Magics Album »Bosko«. Oder haben wir uns verhört? Na ja, sagen wir einmal, dass es Grund zur Verunsicherung gibt. Schon in den 1990ern schien man seinen Ohren nicht mehr trauen zu können. Da mixten Musiker wie Vladislav Delay (Sasu Ripatti), Pita (Peter Rehberg) und Gruppen wie Oval oder eben General Magic aus Klangfragmenten und Störgeräuschen unwahrscheinliche Sounds zusammen. Selbst eine profilierte Musikerin wie Björk fand Gefallen daran und nahm ein Oval-Sample auf ihr zärtliches Album »Vespertine« (2001). Glitches waren plötzlich in. Und sind es noch immer. Was auch dem Label Mego (seit 2006 Editions Mego) zu verdanken ist.
Die 1995 gegründete Wiener Institution ist für ihre oft elektronischen Soundexperimente bis heute international bekannt. Hier veröffentlichen im Jubiläumsjahr 2025 auch General Magic – und das nicht ganz zufällig. So gehören die Magicians Ramon Bauer und Andreas Pieper zum Mego-Gründungsteam. Benannt ist deren neues Album nach einem WG-Kater aus den 1990er-Jahren, gewidmet ist es dem Label-Mitbetreiber und Musiker Peter Rehberg, mitsamt Unendlichkeitszeichen und der optimistischen Botschaft: »We miss hanging out, all the mistakes and jokes. Let’s reform later.«
Extremer Soundterrorismus
Ob Peter Rehberg an jenem anderen Ort, an dem er sich nun befindet, eine »gefiede Zeit« hat? Man kann nur spekulieren – oder Ramon Bauer und Andreas Pieper fragen. Die zumindest glauben, dass Rehberg wahrscheinlich keine große Freude an Reformationsbestrebungen hätte. Auch wenn sein Werk maßgeblich aus Kollaborationen besteht und sich irgendwann sicher irgendetwas ergeben hätte. Man kann die Spekulationen aber auch sein lassen und einfach Rehbergs posthume Platte »Liminal States« hören, die zusammen mit General Magics »Bosko« am 31. Jänner auf Editions Mego veröffentlicht wurde. Bewegen sich Bauer und Pieper mit ihrer Manipulation von Soundmaterial durch einen reißenden Strom aus harten Beats, rauschenden Texturen und verzerrten KI-Stimmsamples, herrschen auf Rehbergs »Liminal States« dunkle Klangflächen vor. Ein glattes Ambient-Vergnügen bedeutet das aber nicht. Was man sich in Rehbergs Fall sowieso denken kann.
Wie viele Experimentalist*innen der 1990er-Jahre war auch der aus Großbritannien nach Wien gezogene Rehberg von Techno beeindruckt. So beeindruckt, dass er gleich darüber hinauswuchs. Bereits der junge Pita (so der schmackhafte Künstlername Rehbergs) manipulierte den Sound von CDs und konfrontierte seine Zuhörer*innen mit der Gewalt der Dekonstruktion. Christian König nannte das frühe Schaffen Rehbergs in seinem skug-Artikel gar einen »extremen Soundterrorismus«. Auch Rehbergs Kollegen Ramon Bauer und Andreas Pieper ging es damals um die spontane Entdeckerlust. So hatten sie und Rehberg 1995 die herrliche Schnapsidee, aus Kühlschrankgeräuschen Musik zu machen. Daraus entstand »Fridge Trax«, eine Kollaboration von General Magic und Pita und der erste Beitrag zum Mego-Katalog. Für Rehberg war das eine Techno-Platte ohne echten Techno.
Was dann folgte, ist Musikgeschichte und kann allerorts nachgelesen werden. Szenegrößen wie Fennesz oder Oneohtrix Point Never feierten auf Mego ihre ersten Erfolge. Rehberg war zeitweise alleiniger Mego-Betreiber, kollaborierte und veröffentlichte aber auch auf seinem Label, etwa mit der Drone-Legende Stephen O’Malley. Die internationale Musikpresse, von »Pitchfork« bis »The Wire«, hatte Mego bald auf dem Schirm. Und Wien wurde vom verschlafenen Stadtdorf zum Knotenpunkt für experimentelle Musik. Dass das bis heute so ist, liegt womöglich an der bleibenden Neugier und Offenheit aller Beteiligten.

Jenseits des Bullshits
Spielten Bauer und Pieper auf »Fridge Trax« noch mit Kühlschränken, ist es auf der neuen Platte »Bosko« KI-Material, das ähnlich zweckentfremdet wird. Dem von Tech-Konzernen dominierten KI-Kreislauf, der »Proliferation von endlosem Bullshit und die Tendenz, ebendiesen Bullshit auch wieder als Trainingsdaten zu benutzen« (Bauer/Pieper), stellen die beiden ein aufgebrochenes Soundbild gegenüber, das Google und Meta vermutlich nicht so einfach auswerten dürften.
Peter Rehberg starb 2021 an einem Herzinfarkt. Plötzlich war Stille eingekehrt, Nachrufe erschienen, man horchte auf Echos. Noch 2024 erschien auf Editions Mego eine Hommage von Klara Lewis mit dem vielsagenden Titel »Thankful«. Auf Seite A hallen die verzerrten Sounds von Rehbergs/Pitas Noise-Hymne »Track 3«, in traurig langsamer Progression, ähnlich den »Disintegration Loops« von William Basinski.
Auch Rehbergs posthum veröffentlichtes Album »Liminal States« wirkt wie ein unheimlicher Schatten des Lärms, der Glitches, die der Labelbetreiber und Musiker zeitlebens immer wieder heraufbeschwor. Schon in frühen Jahren hatte es Rehberg darauf angelegt, die Sicherheiten seines Publikums zu erschüttern. Auch »Liminal States« legt diesen Fokus. Nur geht es dabei etwas sphärischer, langformatiger zu. Als Soundtrack zur Performance »Pervasive Magnetic Stimuli« von Margrét Sara Guðjónsdóttir konzipiert, verschreibt sich das 45-minütige One-Track-Album diffusen Zonen. Stimmungen, Schattierungen und Echos treten in den Vordergrund, Melodien und feste Strukturen zerfließen. Darin liegt auch die Ähnlichkeit zur Musik von General Magic, wobei deren subversiver Anti-Pop hier der vollkommenen Auflösung weicht. Kein unpassender Schlusspunkt für ein so fluides Schaffen wie das von Rehberg. Vielleicht auch ein neuer Anfang. But let’s reform later.
Link: https://mego.at/