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Havukruunu

»Tavastland«

Svart Records

Metal als Genre stirbt nicht auf dem Schlachtfeld, sondern im Bierzelt. Das gilt besonders für Genres wie Viking und Pagan Metal, wo im schlimmsten Fall Bands wie Feuerschwanz lauern, die höchstens am Beckenrand eines Bällebades Fünfjährige bespaßen sollten, und am anderen Ende des Spektrums die Halunken von Havukruunu zum Erfolg verdammt sind, wenn sie so weitermachen. Womit? Mit ihrem am klassischen Heavy Metal und Black Metal geschulten Pagan Metal, der sich deutlich bei Bathory bedient, v. a. am Album »Hammerheart«. Um jetzt nicht das Kind mit dem Blutbad auszuschütten: Zwischen Feuerschwanz und Havukruunu passen noch ein paar Amon Amarth – aber, Obacht, das Epos kippt schnell in den Kitsch, wenn nicht eine gewisse Art des »Drüber-Seins«, man könnte auch von Camp sprechen, dafür sorgt, den Massen Einhalt zu gebieten. Und die meine ich wörtlich, denn der ganze hymnisch-hingegrölte Sums, die mythisch gemeinten und an Urgründe und -kräfte gemahnenden Erzählungen und Gesten, das ganze Drama bedarf der Bühne, der Überhöhung, der Begrenzung und damit dezidiert nicht der Volksnähe, um sich nicht in völkischen Scheißdreck oder zumindest kreuzblöden und stumpfen Unsinn zu verwandeln. Das imaginierte Schwert in der Hand, brandschatzend und plündernd an fremden Gestaden anlanden – schön und gut, in der Fantasie bzw. ggf. auch als extreme und daher angemessene Reflexionsform der subjektiven Erfahrung einer mehr und mehr individuell überfordernden Gegenwart. Aber, im Zweifels- bzw. Konfliktfall möchte ich weder Schwert noch Gewehr in die Hand gedrückt bekommen und auch nicht mit dem einen oder anderen bedroht oder gar erledigt werden, sondern lieber noch mal drüber reden. Insofern will ich an dieser Stelle daran erinnern, die martialisch inszenierte und historisch verbrämte Barbarei im Metal als Versuch zu verstehen, den Terror der Gegenwart zu spiegeln und zu bewältigen. Wo das besungene Unheil und die damit verbundenen symbolischen Gesten der Selbstermächtigung (Schwert in die Luft) der Sehnsucht nach der Rückkehr zu überwundenen Formen menschlicher Grausamkeit entsprechen, da rate ich vom Genuss ab. So, hätten wir das geklärt, zumindest im Ansatz. Havukruunu also, wo gehören sie hin? Der beschriebene schmale Grat zwischen reflexiver Verdeutlichung und stumpfer Verherrlichung ist wirklich sehr schmal. Zumal in finnischer Sprache gesungen die Texte nicht ohne Weiteres nachvollziehbar sind. Aber das ist im Prinzip egal, denn der Geste des Metallischen werde ich nicht mit Textexegese gerecht. Die Gitarren, die Chöre, der keifende Gesang (egal in welcher Sprache unverständlich), das donnernde Schlagzeug und die alles in allem auf Götterdämmerung gestimmte Atmosphäre – kurz, die Inszenierung: It’s a Gesamtkunstwerk, Baby! Und in der Hinsicht muss ich sagen, Hut bzw. Helm ab! »Tavastland« eignet sich hervorragend zur temporären Weltflucht und zur Revitalisierung der eigenen Lebenssäfte mittels des beschriebenen heroischen Schnickschnacks. Aber – Immersion hin, Drastik her – nicht vergessen, sich anschließend auch wieder um die Nächsten zu kümmern und liebevoll und sorgend der Zukunft zuzuwenden.

Home / Rezensionen

Text
Holger Adam

Veröffentlichung
19.03.2025

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