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Gustavo Santaolalla/Mac Quayle

»The Last of Us Part II«

Milan Records/Sony Music

Musik wird ja gerne als »Soundtrack zum Leben« apostrophiert, sie begleitet – ob als Klangtapete im Hintergrund oder bewusst eingesetztes akustisches Signal zur »Betonung« – viele prägende Momente im Leben eines Menschen und bei Gelegenheit triggert die Musik dann eben auch die Erinnerung an solche Momente: Erster Kuss, Soundtrack zum Kiffen, zum ersten Sex, Lieder, die auf Hochzeiten oder Beerdigungen gespielt wurden usw. – in der Regel Erfahrungen, die, mit anderen geteilt und bis weit ins Erwachsenenalter hinein, Sozialisationspassagen, biographische Einschnitte markieren. Vor diesem Hintergrund betrachtet, wirft der Soundtrack zu einem Computerspiel eine Reihe von Fragen auf, wenn man sich beispielsweise vergegenwärtigt, dass das Spielen eines Single-Player-Games eine einsame Erfahrung ist, die zwar retrospektiv geteilt werden kann – zunächst aber gilt: Jede*r stirbt für sich allein. Und mit Blick auf »The Last of Us Part II« (und die grundsätzliche Diskussion um Wohl und Wehe der Erfahrung/Ästhetisierung von Gewalt im Rahmen von Computerspielen an dieser Stelle außer Acht gelassen) lässt sich sicher sagen: Es war eine ziemlich intensive Erfahrung, sich mit Ellie und Abby durch die postapokalyptische Welt zu schlagen – und dabei auch hin und wieder ins Gras zu beißen. Obendrauf: die Covid-19-Pandemie (noch ohne Zombies) vor der Tür … und zu all dem dann die Musik von Gustavo Santaolalla und Mac Quayle (ersterer schon für »Brokeback Mountain« und »Babel« jeweils mit einem Oscar für seine Filmmusiken dekoriert). Veranschlagt man 30 Stunden Spielzeit (netto) und ein paar Dutzend Stunden mehr brutto, dann, und da kann die Plattensammlung im selben Wohnzimmer noch so groß sein, gehört der Soundtrack zweifellos zu der Musik, die man in diesem (mittlerweile zurückliegenden) Jahr gehört haben wird. Album des Jahres, so gesehen. Was bedeutet das nun alles in der Beurteilung der Musik, schließlich liegt die Musik ohne Computerspiel hier zur Rezension vor? Es bedeutet zuallererst, dass dieses Urteil gar nicht unabhängig davon zu treffen ist, ob man »The Last of Us Part II« miterlebt hat. Für den (unwahrscheinlichen) Fall, dass man sich »nur« für die Musik interessiert, weil man Santaolallas Musik für die beiden oben genannten Filme schätzt, dann kann man auf dem Soundtrack zu »The Last of Us Part II« stimmungsvolle Skizzen akustischer Gitarrenmusik finden, die immer wieder durch die dunklen Ambient-/Drone-Collagen von Mac Quayle kontrastiert werden. Im Vergleich schneiden dann Santaolallas musikalische Beiträge vielleicht ein wenig besser ab, weil es Quayles Geräuschen an den entsprechenden Kulissen fehlt – aber mit Blick auf Ambient und Drone als Genre kann diese Perspektive gleich wieder relativiert werden, da kann Quayles Beitrag neben einschlägigen Alben im Regal und für sich stehen. Musikalisch einordnen kann man den Soundtrack auch zwischen einerseits Bruce Langhorns Musik zu »The Hired Hand« (was Santaolallas Beitrag betrifft) und andererseits der Musik für »Valhalla Rising« (für die Anteile von Quayle). Das trifft auch in etwa thematisch zu, denn sowohl die Atmosphäre des Hippie-Spätwesterns um die (scheiternde) Rettung eines Freundes als auch die erbarmungslose Rachefantasie von »Valhalla Rising« finden sich in »The Last of Us Part II« wieder. Aber um dies einschätzen zu können, muss man »The Last of Us Part II« mitgemacht haben, muss man durchlebt haben, was der Plot einem zumutet. – Dann wiederum wirkt die Musik wie eine der oben angesprochenen Passagen, ohne zu übertreiben, gilt dann: Es gibt ein Leben vor »The Last of Us Part II« und eines danach. Die Musik aktualisiert diese intensive Erfahrung, wenn man sie hört, so wie Ellie – Achtung: Spoiler! – zum Ende des Spiels wieder zur Gitarre greift und spielt, was sie von Joel gelernt hat, und sich erinnert an das, was hinter ihr liegt. Man wird nicht gleich von einer posttraumatischen Belastungsstörung heimgesucht werden, aber die Musik kommt als Echo von Verletzung, Wut, Trauer, Hass und dem Kampf um Erlösung wieder. Harter Stoff.

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