Am Freitag, dem 15. November 1991 gastierte in der Arndtstraße 51, 1120 Wien, eine dreiköpfige Punk-Band. Das heruntergekommene Haus war damals die Heimat des Flex. Bevor es später an den Donaukanal umziehen sollte, war das Flex regelmäßig in den Schlagzeilen des Boulevard, wegen Ruhestörungen und Schlägereien. (Ein Skinhead-Club war nebenan eingezogen – die Probleme vorprogrammiert.) Doch das sollte die Band nicht abhalten, hier eine Show zum Besten zu geben. Immerhin sollte ihr zweites Album, »Kerplunk«, einen Monat später erscheinen. Die skug-Autoren Andreas Kump, Rainer Krispel und Huckey Renner haben sie zu diesem Anlass interviewt – »ein Abtasten mit Walkman und ausgerechnet keinem Quellenkatalog an Fragen«, wie die drei schreiben.
Nun, bei besagter Band handelte es sich um niemand geringeren als Green Day. Nur wenige Jahre später sollte das Trio eine Punk-Rock-Welle lostreten, die bis tief in den Mainstream wirken sollte. Zentral dafür war 1994 ihr Wechsel zu Frank Sinatras Reprise Records mit »Dookie«. 1991 waren sie beim mittlerweile aufgelösten Lookout Label, einem kleinen Vertrieb, und spielten regelmäßig in der nicht-kommerziellen Alternative Music Foundation in 924 Gilman Street, Berkeley. Das Bild der späteren Grammy-Gewinner, die mittlerweile dreistellige Beträge für Konzerttickets verlangen, ist im Interview entsprechend anders …
Aus unserer Sicht sind solche Interviews nicht nur deshalb interessant, weil sie die »bescheidenen Ursprünge« von Megastars aufzeigen. Sie werfen auch die Frage auf, welches Verhältnis zwischen Untergrund und Mainstream besteht. Ist es ein Milieu, aus dem sich spätere Stars einmal befreien? Oder baut die subkulturelle Einwirkung auf den Mainstream auf jahrelange Vorarbeit auf, auf Begeisterung und Austausch in kleinen Runden? Zum 35. Geburtstag von skug müssen wir uns solche Fragen erneut stellen – am 7. November 2025 im rhiz. Komm vorbei! Vielleicht stehen schon die nächsten Stars in den Startlöchern.

skug: »All die Lookout-Bands, das Lookout-Image, das wirkt immer alles so … wir wollen keine ernsthaften Sachen sagen … wir tun alles nur aus Spaß.«
Billie Joe [Armstrong]: »Wir haben auch andere, ernste Sachen zu sagen. Auf Lookout sind doch auch sehr politische Bands, wie etwa Operation Ivy oder Fifteen, die alles eher persönlich auslegen. Im Gegensatz zu den Dead Kennedys oder MDC und ähnlich politischen Bands aus der Bay Area ist unsere Szene aber mehr relaxt. Mehr so … ändere dich selbst, bevor du anfängst, andere ändern zu wollen.«
skug: »Wie ist die Szene dort, von wo du kommst?«
B. J.: »Sehr punkig. Ich meine, jeder, mit dem ich herumhänge, hat etwas damit zu tun. Unsere Szene ist wirklich gut, eine der aktivsten in den Staaten, mit sehr vielen Bands, wie Operation Ivy, Filth, Blast oder Fifteen.«
skug: »Hat sich in Gilman Street etwas verändert, seit die Maximum-Rock’n’Roll-Leute nicht mehr so eng darin verwickelt sind?«
B. J.: »Es galt früher als mehr ›alternative‹, als es jetzt gilt. Jetzt ist es noch mehr Punk. Viele großartige Bands kommen von dort. Isocrazy, Operation Ivy und irgendwie ist bei uns jeder auf seine Art mit Gilman Street verbunden.«
skug: »Aber es dreht sich dort in erster Linie alles um Musik?«
B. J.: »Ja. Im Gegensatz zu den üblichen Veranstaltungsorten in den USA besticht das Gilman Street Project dadurch, dass es von der ›Szene‹ selbst getragen wird, ähnlich einer KAPU, was in den Vereinigten Staaten nicht so ganz die Regel ist. Alle Abläufe in Gilman unterliegen einem gewissen Reglement. Mit dem Besuch von Gilman musst du auch automatisch Mitglied werden, d. h. du bezahlst einen Betrag, unterschreibst die Hausordnung und bekommst einen Mitgliedsausweis. Als Mitglied verpflichtest du dich, in Gilman und im Umkreis von 500 Metern keinen Alkohol zu trinken oder gar andere Drogen zu konsumieren. Auch wildes Tanzen bleibt untersagt und wer einmal bei einem Gig frische Luft schnappen will, der bleibt auch für den Rest der Nacht draußen.«
skug: »Ging die Sache mit dem abgedruckten Briefwechsel mit I.R.S. eigentlich noch weiter? [Green Days Debüt-LP enthielt einen gefälschten Brief des Major Labels I.R.S. Records, in dem die Band gelobt wird.]«
B. J.: »Wir bekamen deswegen etwas Ärger mit denen. I.R.S. rief uns an und sie waren nicht gerade glücklich darüber. Unser alter Schlagzeuger [John Kiffmeyer] hat das ohne unser Wissen gemacht.«
skug: »Wie wird die neue LP heißen?«
B. J.: »Kerplunk.«
skug: »Ker…?«
B. J.: »Kerplunk.«
skug: »Was soll das heißen oder für was steht das?«
B. J.: »Das ist das Geräusch, wenn du aus einem Flugzeug springst und auf den Kopf fällst.«
skug: »Fällst du sehr oft aus Flugzeugen?«
B. J.: »Wir springen oft mit dem Fallschirm ab, so wie jetzt über Europa. Mit Fallschirmen und Gitarren.«
skug: »Schreibst du auch die Texte?«
B. J.: »Ja.«
skug: »So ist das also in etwa deine Band.«
B. J.: »Nein. So ist das überhaupt nicht. Ich mag es nicht, zu sagen: ›Das ist meine Band‹ oder ›Das ist mein Weg‹. Green Day ist unsere Band und sehr wohl auch die Band der Leute, die mit uns hier sind.«
skug: »Was würdest du dich selbst fragen?«
B. J.: »Wie wäre es damit, wie ich meine Jungmännlichkeit verloren habe?«
Mike [Dirnt] (Bassist, mehr so aus dem Hintergrund, wo er schon die ganze Zeit über versunken hockt und Aufkleber beschriftet, die er während des Auftritts in das Publikum wirft): »Erzähl lieber, wie du sie gefunden hast!«
B. J.: »Was gefunden habe?«
M. D.: »Deine Jungmännlichkeit.«
B. J.: »Ach ja, ich habe sie zuerst verloren und dann wieder gefunden.«
skug: »Wann setzt du dich eigentlich hin und schreibst die Texte für eure Songs?«
B. J.: »Wenn Venus und Jupiter in einem bestimmten Winkel zur Erde stehen und ich gerade inspiriert bin.«
skug: »Von was handeln die Texte auf ›Kerplunk‹?«
B. J.: »Von Liebe, vom Erwachsenwerden, Tod, Gott …«
skug: »Wer ist das?«
B. J.: »Ich bin nicht sicher, darum habe ich darüber geschrieben.«
skug: »Wird er jemals zurückschreiben?«
B. J.: »Nein, das ist jetzt kein religiöses Ding. Es liegt mir mehr daran, das alles in Frage zu stellen. Warum bin ich auf der Welt und warum sagt jeder, dass Gott mich erschaffen hat?«
skug: »Was denkst du eigentlich über das Krishna-Ding?«
B. J.: »Ich mag das alles nicht so recht. Bands wie etwa Shelter, die dir sagen, dass du eine Verschwendung von Leben bist, nur weil du Bier trinkst, und dich dann auch noch mit Wiedergeburtsideologie nerven, finde ich scheiße. Etwas immer weitertreiben, being so original, dass es schon lächerlich wird.«
skug: »Lösen deine Songs auch deine Probleme?«
B. J.: »Es hilft mir, mit manchen Sachen besser klarzukommen. So Sachen, die wir eben alle durchmachen. Ich sage besser nichts davon. Das kommt sogar mir selbst manchmal zu cheesy vor.«
skug: »Du hältst mit der Wahrheit hinter dem Berg.«
B. J.: »Die einzige Wahrheit ist, dass da gar kein Berg ist.«











