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Golem mecanique

»Siamo tutti in pericolo«

Ideologic Organ

»Siamo tutti in pericolo« – »Wir sind alle in Gefahr«. Diese Worte sprach Pier Paolo Pasolini im Interview mit der Zeitschrift »La Stampa« am 1. November 1975. Einen Tag später war er tot, erschlagen am Strand von Ostia, in der Nacht von Allerheiligen auf Allerseelen. Bis heute sind die Umstände des Mords nicht geklärt, wobei einiges darauf hinweist, dass Pasolinis radikales künstlerisches und politisches Schaffen einigen Personen zu bedrohlich geworden war. Eben dieses Schaffen und auch sein mysteriöser Tod sicherten dem Regisseur und Schriftsteller zugleich anhaltenden Ruhm. Dabei findet sich Pasolinis Name nicht nur im Kanon des internationalen Films, sondern auch in der Subkultur: »Siamo tutti in pericolo« ist der Titel des dritten Albums von Golem mecanique, dem Drone-Projekt der französischen Musikerin Karen Jebane, veröffentlicht auf keinem geringeren Label als Ideologic Organ, Outlet der Drone-Legende Stephen O’Malley von Sunn O))). Ein unheimlicher Klagegesang auf eine Ikone und eine sinnliche Hymne auf den Abgrund. Als »experimental sacred music« bezeichnet Jebane die Musik von Golem mecanique. Und die braucht nicht viel: Ein elektronisch verfremdetes Hurdy-Gurdy für die langgezogenen Klänge, eine ebenfalls elektrisierte Zither und die beschwörende, verhallte Stimme Jebanes, die in diesem okkulten Setting Erinnerungen an Chelsea Wolfe wachruft. Von deren Gothic Rock/Metal bleibt hier aber nur wenig, selbst wenn Jebane ausgewiesener Metal-Fan ist. Als Einflüsse für das Album zitiert sie vielmehr Scott Walker und Maria Callas, letztere übrigens unvergesslich als bleiche Medea im gleichnamigen Film von Pasolini und aktuell ähnlich geisterhaft im Kino zu sehen (»Maria«, Pablo Larraín, 2024). Die »sacred music« des Golem mecanique mäandert, schleicht um die Hörer*innen. Man fühlt sich eingesponnen, an einen anderen Ort versetzt. Vielleicht gar an den Strand von Ostia. Wo die Leiche Pasolinis lag. Das wäre ganz im Sinne Jebanes, die ihre Liner Notes folgend beschließt: »I just wanted his body not to lay alone on that cold beach.«

Home / Rezensionen

Text
Fabian Lutz

Veröffentlichung
26.03.2025

Schlagwörter

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