Wie schon öfter war die Spannung groß, was einen an diesem Abend erwarten würde. Seit etwa 1997 geistert das Phantom »Glen Meadmore« durch diverse österreichische »Im Sumpf«-infizierte Musikschädel, ohne jedoch mehr über diese rätselhafte Gestalt erfahren zu haben. Von Heustadl-Disco und Cowboy-Punk (oder umgekehrt), also einer durchaus originellen Kombination war die Rede, und beeindruckendes akustisches Material dazu wurde von der »Grauen Lagune« geliefert. Hier wurden also ein Christian-Gay-Hedonismus mit leidenden Country/Western-Geigen (und der diesen oft immanenten Jammerlappigkeit) gekreuzt. Das hatte man so noch nicht gehört. Mein inneres Auge imaginierte in diesem Zusammenhang immer einen auf einem Steckenpferd reitenden, im Rodeo-Style im Heustadl »reitenden« langhaarigen Mann mit Cowboyhut, der bei all der fast schon sportlich zu nennenden Aktivität auch noch unablässig manisch-hysterisch vor sich hin jappst. YouTube vermag uns inzwischen über Meadmores Performance in den 1980er-Jahren schlauer zu machen. Aha, also doch Drag Queen! Keine Ahnung welche Drogen der Typ damals eingeworfen hatte, es muss in jedem Fall was gewesen sein, was ordentlich aufs Tempo drückt. Man werfe nur einen Blick auf das YouTube-Video aus dem Club Rio/Atlanta, in dem RuPaul Meadmore »einführt«, der dann wie von der Tarantel gestochen gerade mal 90 beeindruckende Sekunden über die Bühne fetzt, und staune. Was würde dieser Mann nur 20 Jahre später im winzigen rhiz bei seinem ersten Österreich-Gastspiel auf die Bühne stellen?
Blaumann, Kukurutz und Zylinderhut
Anfänglich schlurft die angeblich aus München stammende Begleitband The Lazys auf die Bühne, die Köpfe geschützt mit stylish-residentsartigen-Zylinderhüten. Möglicherweise um damit besser gegen gewalttätige Übergriffe auf der Bühne abgesichert zu sein, denke ich mir anfänglich. Als dann aber das lang erwartete »kranke Arschloch« Glen Meadmore (Fritz Ostermayer) die kleine rhiz-Bühne bespringt wird klar, warum die Herren an Gitarre, Bass und Drums zu solchen Taschenspielertricks greifen: Der gebürtige Kanadier entpuppt sich als ein gefühlter 2,60 Meter großer Hüne, der wahrscheinlich nicht will, dass seine Kombattanten als totale Winzlinge dastehen. Oder die Musiker wollen das nicht – wie auch immer. In Blaumann, globigen Arbeitsschuhen und mit keckem Bürstenschnitt, also ganz und gar nicht Drag Queen, zeigte der Teilzeitschauspieler dem staunenden Publikum wo der Bartl den Most herholt. Zu Beginn weniger nach Bauerndisko als nach Westcoast-Pogues klingend wird schon nach wenigen Stücken klar: Dieser Mann hat einen ordentlichen Klescher, sympathisierend zu verstehen. Die Musiklandschaft könnte mehr Künstler mit diesen Entertainment-Qualitäten vertragen. Bald hat sich Berserker Meadmore von seinem schweißtreibenden Overall befreit und gibt nun in einem knallroten, pyjamahaften Einteiler den überdrehten Gockel, nicht ohne dabei mit einem Maiskolben alle möglichen »Schweinereien« zu simulieren. Mit Fortdauer der Show blitzt zum Glück auch musikalisch stärker der Meadmore-Bastard-Style der älteren Platten auf. Wäre das rhiz noch voller gewesen, es wäre wahrscheinlich auch auf den Tischen getanzt worden.
Der Arnulf Rainer des Wasweißichwas-Pops
Fritz Ostermayer, der als würdiger Support-Act auf »The Power of Postive Drinking« setzt, entpuppt sich mit seinen akustischen Übermalungen immer mehr als der »Arnulf Rainer des avancierten Wasweißichwas-Pops«. Dabei wird etwa der Roy-Black-Klassiker »Wahnsinn« in der überdrehten Version von Ostermayers Ex-Kapelle Der Scheitel eindrucksvoll dekonstruiert bzw. »übermalt«. Die Taktik geht an diesem Abend voll auf und so mancher ist bereits nach der beseelten Performance des geschätzten Herrn Ostermayer emotional angeschlagen. Hier geht es immer um das ZU VIEL: zu viel Liebe, zu viel Verzweiflung, zu viel Ennui, zu viel Alkohol, zu viel kalt. Zum Glück spiegelt sich das nicht in einem zu viel an Tönen, die Ostermayer immer gekonnter aus dem Laptop und der kleinen Kindergitarre kitzelt. Genauso hemmungslos wie der Riese Meadmore, nur eben ganz anders im Ausdruck. Die erwartete Unterstützung von den Mitgliedern der Neigungsgruppe Sex, Gewalt & gute Laune blieb zwar aus, das tat aber dem Vergnügen an diesem durch und durch dionysischen Abend keinen Abbruch.