skug hatte Anfang der 1990er-Jahre neben Wien Lokalredaktionen in Graz, Linz, Salzburg, Innsbruck und sogar München (was in der skug #10-Titelstory »Klingendes Österreich, Singendes Bayern – it smells like Leberkäs« gipfelte.) Barbara Winkler war unsere »Korrespondentin« in der bayrischen Metropole. Hier aber kein Report über die Subkulturmusikszene von Roxy Munich anno dazumal, sondern ein Artikel aus skug #2, 1991 über die Rockband H. P. Zinker, die auch in Übersee erfolgreich war, was nur wenigen österreichischen Acts gelang. H. P. aka Hans Platzgumer (Funktaxi, Nylon, Capers, später KÖB oder Platzlinger im Duo mit Peter Hollinger) ist übrigens mittlerweile als Schriftsteller erfolgreich und spielt hin und wieder live mit Convertible.
H. P. Zinker oder die Ironie des (glücklichen) Schicksals
Von zweien, die auszogen, die Welt zu erobern, dabei die Berge Tirols gegen die Straßenschluchten von New York tauschten und jetzt als gefeierte Export-Österreicher mit den Lorbeeren der Heimat gewürdigt werden.
Die Geschichte, die ja langsam alt ist und in diversen (von »Spex« über »Chelsea Chronicle« bis »Trust«) Magazinen mit Vorliebe betont wurde, soll hier nur noch einmal ganz kurz in Erinnerung gerufen werden. Gleich vorneweg, das Interessante an H. P. Zinker ist nicht ihre österreichische Staatsbürgerschaft, sondern die schlichte Tatsache einer guten, jungen Band. Begonnen hat das Ganze in Innsbruck, mit den ersten musikalischen Aktivitäten von Hans Platzgumer. Das dieser Kerl eine Musikerkarriere macht, prophezeite mir schon vor ca. sieben Jahren Innsbrucks fähigster Szenetontechniker und Musikfanatiker (inzwischen zum Flugdrachenkonstrukteur avanciert). Hans war da so ungefähr 14, 15 Jahre alt, als er mit Funktaxi, einer eher jazzig-funkigen Combo, in die Öffentlichkeit trat. Bald darauf gab es die Capers, Lokalmatadoren und Pop-Punk-Band mit Andi Pümpel als Sänger und verschiedene Solowerke, z. B. die selbstproduzierte LP »Tod der CD!« (inzwischen ein kurioses Sammelliebhaberstück mit gewissem Violent-Femme-Flair) von Hans Platzgumer, der dann nach Wien abwanderte, dort mit KÖB und von Berlin aus mit Platzlinger von sich hören ließ. Böhm ohne KÖB war die Umsetzung von zeitgenössischer Volxmusik (Slayer) auf traditionellen Instrumenten, nämlich akustischer Gitarre und Kontrabass, interpretiert von H. P. und Andi Haller, eine Livesache, die inzwischen auch auf einer Single von Nur Sch. Records dokumentiert ist. Andi Pümpel, in Innsbruck geblieben, konzentrierte sich mehr auf das Bassspielen und bastelte an einer neuen Band namens Zinker. Dann ein gemeinsames Konzert in Innsbruck und den Zinkern wurde ganz einfach die inzwischen nicht mehr unbekannten Initialen H. P. vorangestellt. Die Idee fand Gefallen und da Österreich langsam zu eng(-stirnig, was die Förderung einheimischer Entwicklungen angeht) wurde, wagte man den Sprung über den großen Teich.
Hans: Wir wollten eigentlich nach San Francisco und in New York nur ein Auto kaufen; es war schon alles geplant und weil wir nicht gewusst haben, wo wir wohnen und wo wir das alles gründen sollten, haben wir uns überlegt, wo wir am besten hingehen. Und natürlich erst mal Amerika abchecken. Wir haben gedacht, San Francisco sei dafür am besten, aber als wir dann im Endeffekt Monate später endlich dort waren, hat sich herausgestellt, dass es total scheiße ist, also gings es zurück nach New York und da sind wir hängengeblieben. Wir haben total Glück gehabt, uns ist eigentlich alles in die Hände gefallen, mehr oder weniger, und deswegen sind wir auch dortgeblieben, weil sich für uns alles so gut ergeben hat.
Zwar keine Mega-Stars, denn bisher leben sie eher schlecht als recht von ihrer Musik (»Wir fucken halt immer mehr ab.«– H. P.), aber doch plötzlich in aller Munde. Klingt nach Märchen, nach Bilderbuchstory, nach »Hans im Glück«: Ab nach New York, die ersten Gigs (noch zu zweit und mit Drum Machine) in »den letzten Scheißläden« und gleich von den richtigen Leuten entdeckt werden, nach zwei Monaten die erste LP »…And There Was Light« auf Matador. Ein gewisser »Exotenbonus« mag da eine Rolle gespielt haben, aber Hans erklärt sich das Phänomen auch damit, dass Amerika »rock’n’rolliger« ist.
Hans: Classic Rock ist da besser, in Deutschland ist mehr Hardcore und das sind wir dann doch nicht. Wohl eher moderner Bluesrock.
Andi: Auch in Deutschland hat sich das fast ein bisschen herauskristallisiert, dass unser Publikum nicht Hardcore ist …
Hans: … sondern eher etwas ältere, intellektuelle Leute …
Andi: … eher die Zuhörer, nicht die Slam-Dancer.
Auf »…And There Was Light« (1989) werden ihre sanft-leisen wie grell-verzerrten Gitarren noch vom Drum Computer unterstützt, während die zweite LP »Beyond It All« (1990) vom eindeutigen Gewinn durch Drummer David Wasik gekennzeichnet ist. David ist ein sympathisch-ruhiger Typ, der ein fulminant hartes Schlagzeug spielt, eine Power, die vor allem live niemals durch einen Drum Computer zu ersetzen ist. David ist also der echte Amerikaner dieser nun »amerikanisierten« Band. Eine musikalische Steigerung, von der die letzten Konzerte gekennzeichnet waren. Gitarrenstrukturen, die sich um sich selbst winden, das Endlosthema bis hin zum Break, zu beachten die besondere Vorliebe für zarte Gitarrenintros, feine Melodien am Anfang bis das Ganze abdreht in die schwere, härtere Ebene (Paradebeispiel »Me and My Misery«) – die Versuchung, nach dem Wort »psychedelisch« zu greifen, ist sehr groß. Songs wie »Sip of Death« oder – gelegentlich finden sich auch deutsche Songtitel (»Schwindlig«, »Die Todesdroge«) – ein alter Capers-Hit, »Sunshine«, als gefälliges Intermezzo. Großstadtdepressionen im geradezu klassischen Rocksongformat (»I Don’t Know What’s Going On«). Komposition ist hier gefragt und plötzlich sind wir mittendrin in der Rock-Historie; da wird nur vom Feinsten zitiert. Hans’ exotisches Gitarrenspiel hinterlässt seine Spuren, die Dröhnung (im positiven, rauschähnlichen Sinn) als Ergebnis aufmerksamen Zuhörens. Gitarrespielen kann er, das ist offensichtlich, aber das allein macht noch keine Band, die Zusammenarbeit der drei ist ausschlaggebend, jeder Part ist für den Ausdruck und die Wirkung ihrer Musik wichtig. Die langjährige Freundschaft von Hans und Andi mag dazu auch beitragen und David Wasik hat sich in dieses produktive Zweiergespann gut eingebracht.
David: Ich habe sie in New York getroffen und mit ihnen geprobt und das war okay. Ich habe zuvor viel Studiosachen gemacht und für mich ergab sich durch diese Band auch die Möglichkeit, zu touren, nach Europa zu kommen, natürlich ist es manchmal schwierig, weil ich kein Deutsch spreche, es gibt wohl auch gewisse Mentalitätsunterschiede, aber als Band kommen wir gut klar.
Die verlorenen Söhne sind zurückgekehrt, vorrübergehend zumindest, um gewissen vaterländischen Verpflichtungen nachzukommen (Zivildienst). Inzwischen ist auch schon die nächste Platte fertig, soll allerdings erst im Herbst auf den Markt kommen und außer, dass sie »anders, aber gut« wird, ist nicht viel darüber zu erfahren. Als Trostpflaster jedoch eine Maxi Ende März, mit drei neuen, jeweils in einer anderen Stadt aufgenommenen Songs, dazu ist eine weitere Tour geplant, allerdings nur in Österreich, in der Schweiz und in Holland. Immer wieder auftauchendes Thema und typisch für die Argumentation rund um H. P. Zinker (auch in der Kulturstation unter fragefreudiger Beteiligung von Julian Weber) ist das Vorurteil gegenüber Österreich. So nach dem Motto: Können Österreicher wirklich gute Musik machen? (Ähnlich dumm wie: Können Frauen überhaupt Musikartikel schreiben?) H. P. Zinker mussten den »Umweg« über New York nehmen, um zu ein paar Gigs im Nachbarstaat Deutschland zu gelangen.
Andi: Es gibt in Deutschland ein enormes Vorurteil gegen österreichische Bands, im Norden fangen sie schon ganz gern ein Gespräch damit an, dass sie mit Leuten mit Dialekt eigentlich nicht so gern reden …
Hans: Die ganze Deutschland-Tour ist nur organisiert worden, weil wir ja eigentlich aus New York sind, von da gings nach London und Berlin, wo die Agentur ist. Von Österreich kommt man nicht mal bis München, obwohl es von Innsbruck nur 150 km sind.
Andi: Der Draht von Deutschland nach Amerika ist noch besser als von Österreich nach Deutschland. In Österreich gibt es kein einziges großes Plattenlabel.
Hans: Aber umgekehrt auch eine harte Grenze nach Österreich, die Platten kommen nicht an, es ist alles irgendwie auch schlecht organisiert.
Eigentlich eine absurde Situation: Alles, was aus Amerika kommt, zieht in Europa/Deutschland zehnmal mehr und dabei tourt viel Mist und Durchschnittliches, während eigene Bands völlig untergehen oder höchstens im lokalen Rahmen Chancen haben. Machen die Amis wirklich die bessere Musik? Ich glaube nicht, H. P. Zinker waren schon vor Amerika gut, aber die Welt öffnet sich einem wohl erst über solche Umwege. Amerika bestimmt nach wie vor unsere Meinung, Politik, Lebensweise und auch das Musikbusiness – schwer, da mit eigenständigen Versuchen durchzukommen. H. P. Zinker haben diesem Zustand ein Schnippchen geschlagen, das Risiko auf sich genommen und bewiesen, dass gute Musik nicht nur aus Amerika kommt. Mögen die Möglichkeiten dort auch größer sein als in Österreich. Und, um hier ein paar Missverständnisse auszuräumen, als Verfasserin dieses Artikels bewegt mich nicht der Nationalstolz zu solchen Äußerungen (denn ich bin nicht Österreicherin), sondern dieser ständige und ewige Amerikanismus in unseren Breitengeraden. Aber, wie man sieht, mit Selbstbewusstsein, frecher Hartnäckigkeit und auch einer gewissen Spur Naivität lässt sich so manches erreichen.
David: Es ist doch völlig egal, woher man kommt, nicht der Wohnort sollte ausschlaggebend sein, sondern das, was man macht. So simpel ist das. Natürlich müssen die Sterne günstig stehen, auch in New York.