Ian Svenonius’ ewiggestrige Gesinnung ist sein Alleinstellungsmerkmal. Er trägt seine Scheuklappen stolz und selbstbewusst. In der Welt des Amerikaners himmeln die Shangri-Las noch immer den »Leader of the Pack« an, denn sie wissen mit den Crystals: »He’s a Rebel«. In dieser mythisch verklärten popkulturellen Vergangenheit erfreut sich Lux Interior noch immer bester Gesundheit und das CBGB’s hat nie seine Pforten geschlossen. Suicide stehen dort nach wie vor auf der schmutzigen Bühne. Kurz gesagt, alles, was irgendwie als cool apostrophiert werden kann, vergeht nicht, zumindest nicht in der Vorstellung von Ian Svenonius, dem das Entwerfen von Gegenwelten seit Jahrzehnten eine bewährte Überlebensstrategie liefert. Escape-Ism heißen nicht zufällig Escape-Ism, so selbstreflexiv ist der Meister natürlich, wenn er zu Werke geht und seine Pläne zur Realitätsflucht mit wenig mehr als Stimme, Gitarre und Drum-Machine verfolgt. Im Endeffekt hinterlässt dieser ästhetische Minimalismus maximalen Eindruck. Svenonius ist kein Anfänger. Ob bei Nation of Ulysses, The Make-up, Chain & The Gang oder jetzt mit Escape-Ism: Die Gesten und Worte sitzen, wie die Vintage-Klamotten am spindeldürren Leib kleben, der sich beharrlich gegen den unausweichlichen Verfall und das fortschreitende Altern stemmt. Fast könnte dieses unbeirrbare Festhalten an der Jugend und ihren Verheißungen tragisch erscheinen. Aber noch ist es nicht so weit, dass man Svenonius von der Bühne führen müsste wie einen an Demenz erkrankten und dem Altenheim entlaufenen Tattergreis. Noch ist er da, cool, aber nicht kalt! Seine programmatische wie notorische Inszenierung als »Rock ’n’ Roll Man überzeugt weiterhin, wenn man für die oben angedeutete Ahnenreihe ein Faible hat und im Grunde seines Herzen weiß, dass seit 1980 keine nennenswerten musikalischen oder sonstigen kulturellen Entwicklungen mehr zur Verbesserung des modernen Lebens beigetragen haben.

Escape-Ism
»Charge of the Love Brigade«
Radical Elite

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