Wenn ich an Edi Ehn denke, fallen mir eine Unzahl von Szenen ein. Stunden in seinem Friseursalon, wenn der Schmäh mit ein paar Freunden, die immer kahlköpfiger wurden, auf höchstem Niveau lief oder die Stärken und Schwächen eines längst aussortierten Außenverteidigers von Rapid noch einmal mit vielen Lachern analysiert wurden. Oder der Grinser, wenn er längst auf seinem Hocker an der Bar des Chelsea Platz genommen hatte und seine Freunde und Bekannten begrüßte. Oder seine unglaubliche Fähigkeit, auf Menschen einzugehen und mit wirklich beinahe allen auszukommen, eine Gabe, die ich bei kaum einem anderen Menschen kennengelernt habe.
Eines meiner ersten Interviews führte ich Anfang der 1990er-Jahre für die Printausgabe von skug mit ihm. Anlass war das Erscheinen einer neuen Platte seiner Band Shaken Not Stirred auf seinem eigenen Label Gash Records. Es war eine Zeit, als die Musikszene explodierte und Bands den Anschluss an den Rest der Welt fanden. Man musste auf einmal nicht aus Seattle kommen, um das Publikum im Saal an die hintere Wand zu pressen, und für Außenstehende fast unsichtbar stand Edi im Zentrum dieser Szene. Er schrieb nicht nur die Songs für seine Band und bediente mit einer instinktiven Sicherheit, die ich so selten gesehen habe, seinen Bass. Edi fuhr auch mit seiner Band in jede Provinzstadt und öffnete dort der heranwachsenden Jugend die Ohren oder putzte sie zumindest einmal kräftig durch. Und wenn es dann richtig laut wurde und die Band als Einheit den Saal beherrschte, dann schloss er die Augen, lehnte den Kopf zurück und lächelte, wie es nur ein im Moment höchst zufriedener Mensch tun kann.
SHAKEN NOT STIRRED mit EDI EHN, 28.3.1993 im alten Chelsea
Szenemotor Gash Records
Daneben war er mit Gash Records der große Ermöglicher, Förderer und Trainer einer Szene, die ohne ihn nie entstanden wäre. Er veröffentlichte die legendäre erste Platte der Orange Baboons, er gab Bloom 05, den heutigen Son of the Velvet Rat, eine Plattform, er vertrieb Platten von damaligen Indiegrößen wie Ballyhoo und kooperierte mit englischen Labels. Damit das alles entstehen konnte, brauchte es einen Edi Ehn, der sich vor der damit verbundenen Arbeit nicht fürchtete, der auch Geld in die Hand nahm und im Hintergrund alles organisierte, damit seine Bands eine Plattform hatten. Ohne diese Arbeit im Hintergrund gibt es keine Tonträger und keine Auftritte, und auch wenn er dafür nie auf das Podest gehoben wurde, das er sich verdient hätte, beschwert hat er sich nie.
Nach vielen Jahren reaktivierte er 2009 Gash Records für seine neue Band The nOSE und wieder gab es diese Augenblicke, wo alles passte, er mit seinem Bass verschmolzen war, seinen Kopf zurücklegte, grinste und den Moment aufsog.
Bei meinem letzten Anruf hob er nicht ab. Edi Ehn starb am 16. Oktober 2017.