In semi-tropischer Hitze sitzt Erik Griswold auf einem restaurierten Stuhl aus Süßholz und schwelgt über seinem mehr als 130 Jahre alten, deutschen Piano. Was darauf wohl schon alles gespielt wurde (Beethoven? Satie? Joplin?), seitdem es aus Stuttgart über den Hafen Sydneys nach Brisbane, seiner jetzigen Heimat geschippt wurde, wo es nun vom Komponist*innen beäugt und stetig neu entdeckt wird? Man weiß es nicht. Der Sound des Instruments hat sich für Griswold jedenfalls über die Jahre nicht genug verändert, nein. Er muss ihn weiterbearbeiten, indem er das Instrument präpariert und mit verschiedenen Techniken bespielt, um herauszuholen, was noch herauszuholen ist. Technik und Präparation funktionieren da wie eine Linse, um die verschiedenen Facetten des Flügel-Sounds zu erkunden und zu vertonen.
Anderer Ort: Yokohama: Hafenstadt, nicht so spannend wie Tokio, aber Pikachu gibt’s hier auch und Yakuza sowie angeblich die älteste Jazz-Bar Japans. Und wohl auch eine Menge schöner Blumen. Auf »Yokohama Flowers«, das aus einer Kollaboration mit der australischen Experimentalfilmemacherin Louise Curham entstand, die unter anderem Super-8 mit Malerei bearbeitet, passiert das, was Griswold selbst als das »Herauspressen der letzten Tropfen Nektar aus den welkenden Blumen« umschreibt. Vielleicht ist es etwas alarmierend, zu behaupten, das Klavier hätte sein Endstadium erreicht. Doch wird beim Hören der 15 eher knapp gehaltenen Kompositionen schnell klar, wie er das meint: Seine Stücke, süß wie der Nektar und erhaben wie die Blüten einer Gladiole oder Chrysantheme, blühen in einem intimen Moment kurz auf und vergehen dann in ihrer strahlenden Schönheit. Klang und Rhythmik sind der japanischen Koto-Musik entlehnt, klingen wie eine Harfe oder ein Cembalo und repetitiv wie moderne Minimal Music. Was bleibt, ist die zerbrechliche, melancholische Erinnerung an den Moment, ein Gefühl von Vergänglichkeit und Nostalgie.