Emer Kinsella © Anna Koblitz
Emer Kinsella © Anna Koblitz

Emer Kinsella – Der musikalische Instinkt

Interview mit der irischen Violinistin anlässlich ihres Live-Konzertes am 3. Juni um 22.30 Uhr im Rahmen von SUPER SUIT, einer performativen Stadtintervention im öffentlichen Raum in Wien.

Emer Kinsella erblickte 1987 in Dublin das Licht der Welt. Bereits im zarten Alter von zweieinhalb Jahren erhielt sie ihre erste Geige, von diesem Zeitpunkt an war dieses Instrument ihr ständiger Wegbegleiter. Mit zehn Jahren gewann sie zum ersten Mal einen Wettbewerb – damals für die Interpretation eines Werkes von J. S. Bach für Violine solo. In London und Berlin machte sie sich als virtuose Klassikmusikerin einen Namen, nun wendet sie sich in Wien als Performerin, die sich schlicht Emer nennt, dem Genre HipHop zu. Ihre selbstgeschriebenen und gerapten Texte handeln vom Verlust der Sprache für die eigenen Gefühle und jene der anderen, von einer Sinnsuche mit vielen Unbekannten, auf der es überlebenswichtig scheint, den Glauben an sich selbst keinen Moment zu verlieren.

skug: Du hast sehr früh angefangen, Geige zu spielen. Was sind deine ersten Erinnerungen?

Emer Kinsella: Ich habe natürlich auf einer sehr kleinen Geige, eine 1/32 Kindergeige, gespielt. Ich habe mit »colour strings« angefangen, sozusagen mit Farben die Noten gelernt. Erst das Spielen auf einer größeren Geige machte mir dann mehr Spaß, da die natürlich auch besser klingt. In der Schule habe ich dann versucht, regelmäßig vier Stunden zu üben.

Sind deine Eltern auch Musiker?

Nein, ich bin die erste in meiner Familie. Meine jüngeren Geschwister haben dann nach mir auch Instrumente gelernt.

Du hast ja schon in vielen Städten gelebt, was war nach Dublin deine nächste Station?

Mit achtzehn Jahren bin ich nach London gekommen. Meine Lehrer waren David Takeno aus Japan und Krzysztof Smietana aus Polen. An der Guildhall School of Music and Drama waren auch SchauspielstudentInnen. Mit denen hatten wir Kontakt, wir konnten in Theaterstücken oder Opernstücken mitspielen. Es gab offene Schauspiel-Workshops, da hab ich auch mitgemacht. Man lernt, wie SchauspielerInnen mit ihren Körpern arbeiten, das fand ich sehr interessant. Das finde ich auch für Musiker sehr wichtig, dass sie wissen, wie man den Körper richtig einsetzt. Wir hatten Konzerte in der Barbican Concert Hall, die regelmäßige Spielstätte des London Symphony Orchestra.

Danach bist du nach Berlin gegangen?

In meinem dritten Jahr in London habe ich ein Erasmussemester in Wien gemacht. Da war ich zum ersten Mal in Wien und habe die Vorzüge der Stadt entdeckt. Das war für mich eine komplett andere Welt. Ich bin dann nochmal zurück nach London gegangen, um das Studium dort zu beenden und wollte danach, bevor ich endgültig nach Wien ziehe, noch in einer anderen Stadt im deutschsprachigen Raum leben. So war ich dann für zirka neun Monate in Berlin.

Du hast während dieser Zeit in Berlin Musik für den Soundtrack zu dem Berlin-Dokumentarfilm »Real World – Berlin Stories« komponiert. Wie kam es dazu?

In Berlin war ich bei einem Audio/Visual-Fest und habe dort Alex Falk kennengelernt und er hat mir erzählt, dass er Musik für einen Dokumentarfilm benötigt. Es gibt drei ganz verschiedene Hauptcharaktere in diesem Film, er hat zum Beispiel einen Musiker während seiner letzten Lebensjahre begleitet. Das war mein erstes Projekt im Bereich Medienkomposition.

In Wien hast du dann die Musik zu »Prinzessin Vukobrankovics« , einer Hörspielproduktion des ORF und Deutschlandfunk komponiert?

Ich habe vor zwei Jahren für einen kleinen ORF-Fernsehbeitrag Geige gespielt. Es war eine Hommage an den Filmkomponisten Erich Zeisl. Ich habe ein Stück dieses österreichischen Komponisten, der 1959 in Kalifornien gestorben ist, 2009 zu seinem 50-Jahr-Gedenken, in Wien im öffentlichen Raum gespielt. Die Journalistin und Schriftstellerin Susanne Ayoub hat diese Aufführung von mir im Fernsehen gesehen und mich daraufhin als Begleitmusikerin für ihre Lesungen engagiert. Als sie ihr Hörstück »Prinzessin Vukobrankovics« für den ORF fertiggestellt hatte, hat sie mich gefragt, ob ich die Musik dazu machen könnte. Ich hatte viel Freiraum, mit Geige und Electronics zu experimentieren.

Seit wann interessierst du dich auch für HipHop?

Ich mag die Kombination von gesprochenen Worten und Musik. Mein erster Song in diese Richtung war »Absolution«. Vor einem Jahr habe ich dann so an die sieben Songs geschrieben und auch mit einer Band live gespielt. Ich wollte die klassische Klangfarbe der Geige mit Rap verschmelzen.

Es gibt dieses Projekt »ArtISTmotion« von dir. Was kannst du uns über die Arbeit »Soundproof« erzählen?

Emer_bild3_soundproof_danielaschwanden.jpgIch wollte mit diesem Projekt »Soundproof« neue Wege mit klassischer Musik erkunden. »ArtISTmotion« ist die Verbindung von Bewegung und Musik. Das Publikum und auch die Musiker sollten sich während der Aufführung in Bewegung befinden. In dem Zwischennutzunggebäude Schönbrunnerstraße 111 wurde das Haus sozusagen als Instrument benutzt. Musik verbindet sich mit Architektur. In jedem Stock wurde ein anderes Stück gespielt, dazwischen wurde improvisiert. So haben wir uns vom Dach- bis zum Erdgeschoss bewegt. Es gab eine kontinuierliche Bespielung über den Zeitraum von einer dreiviertel Stunde. Da diese abends stattfand, hatten wir auch ein spezielles Lichtdesign. Der Name »Soundproof« nimmt Bezug auf das alltägliche Sound-Chaos der Stadt. Diese Aufführung sollte einen sozusagen davor schützen. Die Hofsituation war dafür ideal geeignet.

Du studierst zur Zeit an der Universität für Angewandte Kunst Wien Social Design. Was hat dich daran speziell interessiert?

Ich habe mich in der Welt der klassischen Musik ein bisschen beengt gefühlt. Ich wollte herausfinden, wie gesellschaftliche und räumliche Aspekte das Musikschaffen prägen. Wie kann ich verschiedenste Räumen nutzen und so Atmosphären innerhalb einer Stadt ändern. Ich mag transdisziplinäres Arbeiten, das Kennenlernen unterschiedlicher Sichtweisen auf die Stadt. Ich finde es sehr wichtig, gesellschaftliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen und zu verstehen. Es geht mir darum, neue Dimensionen von musikalischer Kommunikation zu entdecken.

Chicago ist die nächste Stadt, die du zur Vertiefung deiner musikalischen Fertigkeiten besuchen wirst.

Ich habe ein Stipendium bekommen, um im Columbia College Filmkomposition zu studieren. Letzten Sommer war ich für drei Tage dort und habe mich vorab erkundigt. Sie haben dort ein sehr gutes Filmkompositionsprogramm. Es freut mich, dass ich mein Wissen über Filmkomposition nun vertiefen kann.

Was sind deine Lieblingskomponisten?

Philip Glass, besonders sein Score zum Film »The Hours«. Ich mag diese zärtlichen Motive von ihm. Oder auch Michael Nymans OST zum Film »The Piano«. Yann Tiersen finde ich auch sehr interessant, er spielt Geige und Akkordeon. Den deutschen Pianisten und Komponisten Hauschka habe ich in New York einmal live gesehen, das war auch sehr gut. Er hat mit einer Gruppe von Musikern improvisiert. Er spielt manchmal auch gemeinsam mit der Geigerin Hilary Hahn. Mir gefällt diese Mischung. Ich finde es gut, wenn KomponistInnen auch selber Konzerte spielen. Dieser Kontakt mit dem Publikum kann einem wichtiges Feedback liefern und auf neue Ideen bringen.

Seit wann improvisierst du auf der Geige?

Viele klassische Musiker vermeiden ja gerne das Wort Improvisation. David Dolan hat im Rahmen eines Wahlfaches mit Bach-Stücken improvisiert, das habe ich so um 2006 das erste Mal ausprobiert. Das Improvisieren fördert den musikalischen Instinkt. Das hilft auch beim Komponieren, man kann einzelne Stellen offenlassen.



Emer Kinsella live: am 3. Juni um 22.30 Uhr im Rahmen von:

SUPER SUIT
EINE KOLLABORATION VON DANIEL ASCHWANDEN (AT/CH)/MANORA AUERSPERG (AT)/NIKI PASSATH (AT)/MICHAEL WALLRAFF (AT) & KLAUS STATTMANN (AT) // PERFORMATIVE STADTINTERVENTION
Mo. 26.5. – Sa. 7.6. 2014 Öffentlicher Raum
Performative Stadtinterventionen / 20′

Der SUPER SUIT changiert zwischen Anzug und Architektur und bekleidet einen Performer, der die öffentlichen Räume Wiens (und anderer Städte) erforscht und darin interveniert. Der Performer, in Symbiose mit seinem Anzug, dehnt sich mit ihm spontan an unterschiedlichsten Orten und Plätzen aus, faltet einen Raum auf. Er kreiert eine urbane Bühne, die an Shakespears »Urbühnen« erinnert, aber auch zum Marker öffentlichen Raums wird. Er verweist auf den jeweiligen Ort und lädt rundherum zu spielerischer Aneignung ein. Nachts wird er beleuchtet, steht als Lichtinsel, bietet sich als Bildträger für Projektionen aller Art, vielleicht auch nur für die Schatten vorübergehender Passanten an. Verlässt der Performer die Struktur, bleibt sein Abdruck auf der nun zur Architektur mutierten textilen Konstruktion zurück.
Mo. 26.5. – So. 1.6. Öffentlicher Raum Termine und Orte auf www.art-urban.org
Performative Stadtinterventionen zwischen Anzug und Architektur.
Mo. 26.5. – Sa. 7.6. Öffentlicher Raum 
Bruno Kreisky Park, jeweils nach dem Kinoprogramm SCIENCE FICTION IM PARK 2014, www.sciencefictionimpark.at, in Kooperation mit ArchitekturRaum 5 
Kinoprogramm:
Mo 02.06. »K- 20 – Die Legende der schwarzen Maske«, 142′
Di 03.06. »Captain America«, 93′
Mi 04.06. »Tetsuo – The Bullet Man«, 74′
Do 05.06. »Der König der Raketenmänner«, 125′
Fr 06.06. Wunschfilm: »Supersonic Man«, 88′ oder Batman – Year One, 64′
Sa 07.06. »Captain Berlin versus Hitler«, 75′

Home / Musik / Artikel

Text
Michael Franz Woels

Veröffentlichung
26.05.2014

Schlagwörter

favicon

Unterstütze uns mit deiner Spende

skug ist ein unabhängiges Non-Profit-Magazin. Unterstütze unsere journalistische Arbeit mit einer Spende an den Empfänger: Verein zur Förderung von Subkultur, Verwendungszweck: skug Spende, IBAN: AT80 1100 0034 8351 7300, BIC: BKAUATWW, Bank Austria. Vielen Dank!

Ähnliche Beiträge

Nach oben scrollen