Wien riecht an diesem Abend nach Spätsommer, Staub und geplatzten Subventionsanträgen. Hinter der Alten Tankstelle, dort wo die Nordwestbahnstraße langsam in die ÖBB-Brache kippt, haben Setzkasten Wien und skug beschlossen, Kultur zu machen. Ja, in dieser halblegalen Samstagabendromantik sollte es stattfinden: kein offizielles Festival, kein »urbanes Labor« – sondern einfach ein Abend, der beweist, dass Subkultur immer dann am lebendigsten ist, wenn sie sich selbst überrascht.
© Caroline Schmüser, Frank Jödicke
Man steht da mit Bier in der Hand, Sonne tief, alles flackert. Eine Bühne neben Büschen, Kabel über Kies, das Publikum zwischen Performance und Performanz. Es ist dieses Wien-Gefühl, das »Eh cool« sagt und »Was machen wir hier eigentlich?« denkt. Michael Zinganel sitzt vorne, mit entspannter Stadtforscher-Arroganz, die nur Menschen haben, die Begriffe wie »Infrastruktur als Gedächtnisstruktur« ohne Ironie sagen können. Und doch: Er hat recht. Während er redet, rauscht ein Zug vorbei – in Gedanken, natürlich. Es ist ja alles flüchtig hier: die Tankstelle, der Abend, sogar der Stromanschluss.
Klangkunst, Karacho!
Die Sonne verschwindet. Anti Newton projizieren Licht an Wände. Verkabeln kilometerlange Kabel. Es knackst und knackst. »Das ist Kunst«, sagt irgendwer, der sicher nicht vom Museumsquartier gekauft worden ist. Derweil kauen manche mit Fransisca Tan auf »fruchtig-leckeren« Kaubonbons herum, lauschen dem Magen. »Food-Sound-Performance«, nennt sie das. Und plötzlich denkt man über seine Verdauung nach. Bei T.R.I.O. blinken schon Lichter in der Gstetten. Drüben die neue Stadt – wie schlechte Sci-Fi-Dekoration, die noch in der Probephase steckt. Und da wie dort weiß man nicht, ob was entsteht oder kaputtgeht. Trotzdem: Man bleibt, weil alles so tut, als hätte es Bedeutung.Â
Die eigentliche Action findet spät und wie überall in Österreich im Keller statt. Dazed Pilots, eine Band, die klingt, als hätte man The Brian Jonestown Massacre in einem Lüftungsschacht eingesperrt, treten im unterirdischen Betonwürfel auf. Es riecht nach Diesel und Gefahr. Die Feuerpolizei fände das fürchterlich. Das Publikum? Kommt runter, schwitzt, schreit, findet es geil, weil: Das hier ist nicht Underground als Label. Das hier ist Underground als Wortbedeutung. Keine Aufnahme, kein Fluchtweg. Nur nasse T-Shirts und Klirren in den Ohren.Â
Übrigens: Was mit Garagenrockkaracho funktioniert, geht sich auch mit Techno aus. Spur: B fährt Loops, als würde Jeff Mills eine Dampflokomotive dirigieren, irgendwo zwischen Detroit und Favoriten. Und dj riotcat tut so, als wäre es 1995, nur ohne Ironie. Breakbeats, Filter und eine Prise Wahnsinn, na ja, das hat vor 30 Jahren auch schon schlechter funktioniert.





















