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Dylan Golden Aycock

»No New Summers«

Feeding Tube / Worried Songs

Die grobkörnige Fotografie auf dem Cover fängt die anachronistische Stimmung des neuen Albums von Dylan Golden Aycock gut ein. Der US-amerikanische Musiker betreibt auch das Scissor Tail Label und veröffentlicht dort überwiegend instrumentale Musik, die als Cosmic Americana rubriziert werden kann. Die bemerkenswerteste Veröffentlichung des qualitativ ohnehin bemerkenswerten Label-Katalogs ist sicherlich der Soundtrack von Bruce Langhorn zum Spätwestern »The Hired Hand«, und an diese sehr stimmungsvolle Musik erinnern die sieben Instrumentalstücke auf »No New Summers« deutlich. Western- und Pedal-Steel-Gitarre prägen die staubig-sonnengegerbte Atmosphäre des Albums, aber der imaginierte Cowboy, das vereinzelte Individuum im Spätkapitalismus, inszeniert als einsamer Reiter, sitzt nicht mehr auf dem Pferd, er ist auf dem Skateboard unterwegs. Dieser ästhetische Bruch verankert die nostalgisch gestimmte Musik in der Gegenwart. Um die ist es (nicht nur in den USA) nicht gut bestellt, und sagen wir mal, die Covergestaltung stünde ebenfalls in Verbindung mit einem Film, der, in der Tradition von Peter Fondas fatalistischem Blick, von Entbehrungen geprägte und enttäuschte Lebensentwürfe festhält, so könnte diese zeitgenössische Variante von Harmony Korine gedreht worden sein – und »No New Summers« wäre der Soundtrack dazu. Eine kaum spürbare Traurigkeit liegt wie Mehltau über allen Eindrücken, die Dylan Golden Aycocks Musik vor dem geistigen Auge entstehen lassen kann. Müdigkeit, Niedergeschlagenheit und Erschöpfung prägen die Stimmung. Es ist spät geworden, und was wird morgen sein? Nichts. Oder eben alles so wie heute und gestern. Die so zum Ausdruck kommende Tristesse birgt vielleicht noch irgendwo zarte Reste von Hoffnung, aber die zu bewahren und zu nähren, wird auch nicht leichter. Und die Zeit verstreicht und das Land liegt brach … Dieser deprimierenden Assoziationskette zum Trotz will ich aber sagen, dass mir das Album sehr gut gefällt. Dylan Golden Aycock versteht es wirklich meisterhaft, unter Einsatz minimaler Mittel komplexe Stimmungen hervorzubringen. Es findet sich auf »No New Summers« kein Ton zu viel und doch vermag die Musik eine Fülle von – mithin desolaten – Eindrücken zu vermitteln. Ganz großes Kino!

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