Die Band Шапка (Schapka) teilt auf ihrer Facebook-Seite den »Die Presse«-Bericht über ihre Protestaktion gegen den politisch rechtslastigen Sponsor Red Bull mit dem trockenen Kommentar: »›Die Presse‹ hat einen positiven Artikel über unseren Auftritt am Popfest geschrieben. Mittlerweile gibt es im Presseforum 110 Hasskommentare.« Diese Haltung gegenüber Hassposts ist inspirierend und vorbildhaft. Man versagt diesen durch demonstrative Gelassenheit den aufmerksamkeitswirksamen Skandal und nimmt sie als trauriges Nebenprodukt von Exponiertheit in die Rechnung einer politischen Aktion mit auf – ja, in einer trotzig-punkigen Umkehr wandelt man die Ablehnung zum Adel: Sieh an, so viele Hassposts haben wir dafür schon bekommen – die Aktion hat gesessen. Von dieser bewundernswert souveränen Haltung lässt sich viel über und für den Umgang mit dem gegenwärtigen Backlash lernen, der sich unter anderem auch von diesem Phänomen des geballten digitalen Hasses nährt.
Gezielte Taktik: Stimmungsbildmanipulation
In kaum einer öffentlichen Debatte kann man sich heute gewagt äußern, ohne eine Ladung digitaler Beleidigung und Diffamierung, die sich leicht zu Mord- und Vergewaltigungsdrohungen intensivieren, auf sich zu ziehen. Die Medien sind wiederum angezogen von diesem Hassspektakel in scheinbar jeder Kommentarspalte und berichten lang und breit darüber. Eine solche Flut an digitaler Abscheulichkeit führt leicht zu einer paranoiden Grundhaltung, in der man seinen Mitmenschen und deren Einstellungen und Absichten zunehmend mit Zweifel und Angst gegenübertritt. Man wähnt sich nah am Abgrund der Barbarei und fällt so leichter auf die Sicherheits- und Abschottungspredigten unserer Demagogen herein.
Dabei übersieht man allerdings, dass eine derartige Manipulation des öffentlich wahrgenommenen Stimmungsbildes eine gezielte Taktik der neuen Rechten ist und dieser massive Hass von weniger Personen ausgeht, als es in der unendlichen Überschaubarkeit der Internetkommentarspalten den Anschein hat: Es gibt Trollformationen wie Reconquista Germanica, die es sich zur erklärten Aufgabe machen, das Stimmungsbild in eine bestimmte Richtung zu manipulieren und nur 5 % der User sind in Stichprobentests für über 50 % der Hasskommentare verantwortlich.
Hassposts: Instrumentarium der rechtsextremen Minderheit
Doch machen wir uns trotzdem keine Illusionen: Dieser Hass kommt nicht von ungefähr und ist auch nicht das Problem einer schwindenden Minderheit. Vielmehr versteht es eine schwindende Minderheit von rechtsextremen Intriganten geschickt, ein latentes Hass- und Ressentiment-Niveau so digital anzusprechen und zu triggern, dass sich immer mehr Lesende vom »Man wird doch noch sagen können« anstecken lassen. Der Frauen-, Fremden- und Homosexuellenhass, der sich im Phänomen der Hassposts hauptsächlich entlädt, ist kein neues Phänomen, sondern war in unserer Gesellschaft stets latent vorhanden. Rechte Demagogen zu allen Zeiten verstanden es, dieses im Inneren unserer gängigen Gesellschaftsordnung schlummernde Abscheuliche an die Oberfläche zu bringen und für ihre Machenschaften nutzbar zu machen. Das affektiv hochwirksame Instrument des Hassposts zählt zum Instrumentarium der gegenwärtigen Rechten und muss als solches identifiziert werden.
Souveräne subversive Wendung
Aus diesem Grund ist die gleichgültige Trotzigkeit Schapkas so wertvoll. Sie lässt sich – entgegen der Absichten der Verfasser (gendern ist hier nur sehr bedingt notwendig) – kaum mehr vom Hass affizieren und nützt diesen in einer subversiven Wendung sogar für sich: In einer feindlichen Übernahme beansprucht die Band den Hass als Gütesiegel für den Wert ihrer Aktion. Mit einem solch bewundernswerten Rückgrat kann man dem Backlash stoisch in die Augen sehen und im Kleinen Paroli bieten. Wer so souverän wie Schapka den sich im Hass Verbohrenden gegenübersteht, macht sie zu armen Zurückgebliebenen, denen ein wesentlicher Schritt im zivilisatorischen Zusammenhaltsgefühl fehlt. Mehr noch: Man kann in einer solch stoischen Haltung selbst das ganze Phänomen der Hassposts gegen ihre Verfasser wenden und es versuchsweise als positive Diskursivierung des Abscheulichen deuten. Der latente Hass unserer Gesellschaften erreicht zum vielleicht ersten Mal das Niveau eines textlich-diskursiven Mediums. Als so leicht verhandel- und analysierbares Material lässt sich aus ihm vielleicht sogar ein Werkzeug zur Überwindung dieses Hasses formen: Was als allgemein einsehbares Dokument publiziert worden ist, unterliegt von nun an einem gesellschaftlichen Lern-, Verarbeitungs- und Rechtsprozess, der im günstigen Fall beschwichtigend wirken kann. Mit der Souveränität von Schapka werden wir es vielleicht dahin schaffen.