© Michael Zangerl
© Michael Zangerl

Die Zarten kommen in den Garten

Im September machte das Unsafe+Sounds Festival zehn Tage lang sechs Locations unsicher. Mit dabei: der Salon skug. Im Schatten der Zacherlfabrik schallten Oriental-Techno, Solar-Punk und atmosphärische Soundscapes von unseren Rädern. Zum Nachhören.

Kann Musik heilen? Das Unsafe+Sounds Festival meint: ja. Aber nicht, wenn das Geschäft damit seinen gewohnten Gang geht. Randständige Ansätze sind viel besser geeignet, eine Operation am offenen Herzen einer Gemeinschaft vorzunehmen. Gezielt lud Festival-Koordinatorin Shilla Strelka deshalb diasporische Artists ein. Darüber hinaus bot das Festival v. a. »transgressiven, neurodivergenten, psychoakustischen und obskuren Herangehensweisen« eine Bühne. Also Menschen, die sich in dominanten Formen nicht wiederfinden und deshalb an neuen basteln. Davon gibt es gar nicht so wenige. Von 7. bis 17. September 2023 hostete das Unsafe+Sounds in sechs Wiener Locations gut 70 Acts, samt Podiumsdiskussionen, Performances und Ausstellungen. Das Ziel? Nach »zu unserem gegenwärtigen Dasein passenden Geräuschen suchen«.

skug wollte sich das natürlich nicht entgehen lassen. Als uns die ehemalige skug-Autorin Shilla fragte, ob wir kooperieren wollen, mussten wir nicht lange überlegen. »Einen Salon-skug-Export in der Zacherlfabrik? Yes, please!« Bei der Eventlocation handelt es sich um ein wunderschönes Fabriksgelände mitten im 19. Wiener Gemeindebezirk. Ab 1870 ließ der Industrielle Johann Zacherl dort Insektizide herstellen. Die Idee hatte er aus Tiflis. Inspiriert davon wurde das Gebäude im orientalistischen Stil errichtet. Nachdem es jahrzehntelang leer stand, bietet es heute einen Raum für Kunstprojekte. Im schattigen Garten stellten wir unsere Räder auf. Zwei Tage Nachmittagsprogramm, zwei Tage Erstaunliches im öffentlichen Raum hörbar machen.

Erkundungstouren zwischen Bäumen

Den Auftakt bot das DJ-Set von Seba Kayan. Genussvoll erschüttert sie das westliche Selbstverständnis, selbstverständlich das Maß aller Dinge zu sein. Dafür greift die Künstlerin auf »orientalische« Einflüsse zurück. Am 26. Oktober 2023 wird sie im Fluc ein ambitioniertes Programm kuratieren. Workshops, Konzerte und Auflegerei fordern eine Neuausrichtung unseres Selbstverständnisses. Ihr Set im Salon zeigte jedoch, dass dies (auch) ein freudvoller Prozess ist. Seba legte Techno mit anatolischen und arabischen Einflüssen auf. Wer gerne den Tag zur Nacht macht, kann auch im Garten tanzen.

Einen weiteren Lichtblick bot die Performance von Nova Lux. Umrahmt von Zimmerpflanzen spielte auch diese Künstler*innen-Persönlichkeit mit Tanzmusik. Deconstructed Club sei verbraucht. Man könne aber Erfahrungen aus den Clubs aufgreifen und als Dünger für eine organischere Musik verwenden. Nova Lux kreierte eine Solar-Punk-Atmosphäre mit zerstückelten, warmen Synths und verspielten Geräuschen. Man könnte glauben, dass der Spätsommerregen am Ende Teil eines Reinigungsrituales war.

Besuch von nebenan

Am Donnerstag eröffnete Spur B, aka David Baum, das Festival. Der Resident-DJ des Salon skug war maßgeblich an der Umsetzung der Kooperation beteiligt. Platzwahl und Präsentation der Räder gehen auf sein Konto. Entsprechend passte David sein Set auch an die Location an. Wie der Soundtrack eines Arthouse-Films erfüllten zurückhaltende Klänge den Garten der Zacherlfabrik. Ein leises Knistern, abstrakte Geräusche und atmosphärische Beats erlaubten den Ankommenden, in Stimmung zu kommen – und genauer hinzuhören.

Von einer Faszination für Geräusche geprägt war auch die Perfomance von Macello Basstrojani. Vor seinem Auftritt sammelte der Künstler Blätter und kleine Stecken. Ihr gelooptes Rascheln und Knacken gab Macellos Liedern eine meditative Textur. Darin wob er eine faszinierende Vielfalt an Klängen ein: Übungstrompete, Perkussion, Synths, verzerrte japanische Vocals. Mit Ikea-Taschen voller Equipment schuf der Familienvater so reduzierte Soundscapes, aus denen die Freude an der Klangerzeugung spricht.

Irgendwas muss Macello bei den Nachbar*innen der Zacherlfabrik ausgelöst haben. Manche kamen vorbei, um dem Festival beizuwohnen. Andere schafften es nicht selbst zur angemeldeten Veranstaltung. Stattdessen schickten sie uns ihre Freunde und Helfer. (Leider konnten jene uns nicht unter die Arme greifen: Wir hatten bereits abgebaut.) Kunst im öffentlichen Raum stößt nicht immer auf Gegenliebe. Doch gemeinsam mit dem Unsafe+Sounds beharrt skug darauf, randständigen Stimmen eine Bühne zu geben. 

Das gilt auch für den kommenden Salon, mit dem wir am 19. Oktober 2023 im rhiz wieder die Indoor-Saison einläuten. Mit dabei: Parkwaechter Harlekin und Flonky Chonks, skug Talk und DJ-Line. Wir freuen uns wie immer auf euch!

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