Unerschöpflich quillt es aus der Wiener Subkultur. Diesmal gilt es, ein aus Dream of Aquarius hervorgegangenes Quintett mit female Seitenstrang zu den Dives vorzustellen. Anhand eines Gesprächs mit Songschreiber Alpha Romeo entpuppt sich nicht nur der Bandname Alpha Romeo und die Winterreifen als originell. Jedenfalls versteht die Combo das Handwerk des Liedermachens …
skug: Es hätte so ein schöner Frühling werden können, mit Tracks wie »Taucherbrille« oder »Gemma aussi«. Euer Debütalbum erscheint nun am 17. April.
Michael Gutenbrunner aka Alpha Romeo: Am 18. Das haben wir jetzt geändert.
Ihr seid Alpha Romeo und die Winterreifen? Du nennst dich Alpha Romeo und muss ich das verstehen wie Nick Cave and the Bad Seeds oder ist das einfach ein Name für eine Band?
Es war anfangs als Soloprojekt gedacht. Also eigentlich schon so wie Nick Cave and the Bad Seeds.
Also, du bist quasi der Lyrik- und Bedeutungsgeber …
Ich schreibʼ die Nummern, genau, auf der Gitarre oder auf dem Klavier. Und dann gehen wir in den Proberaum und arrangieren es gemeinsam.
Wo würdest du dich als Alpha Romeo mit deinen Winterreifen verorten? Deutschsprachig, im Dialekt, seht ihr euch in dem ganzen Dialekt-Revival? Wo verortet ihr euch da und wie seht ihr das? Das läuft ja von einem nostalgischen Rückgriff darauf, in vielfacher Hinsicht, bis hin zu einer kritischen Neuauflage.
Ich habʼ sehr gerne die alten Ambros-Sachen immer gehört. Also da sehe ich auch klar die Einflüsse. Aber auch die André-Heller-Sachen. Das gefällt mir sehr gut. Weil die halt damals auch schon so … es war zwar in den 1970ern alles, aber es hat sich sehr an den 1960ern orientiert und die 1960er haben mich eigentlich von der Musik her immer recht beeinflusst, recht bald. Und deswegen hat mir dann der alte Austropop auch sehr gut gefallen. Und das sind eigentlich meine größten Einflüsse. Natürlich auch der Nino aus Wien, der das eigentlich als erster wiederbelebt hat. Da habʼ ich dann auch – wie der seine ersten Nummern rausgebracht hat – da habʼ ich mich auch das erste Mal getraut, dass ich auch etwas auf Deutsch schreibe, irgendwie. Aber es hat noch lange gedauert, dass ich dann wirklich auch mich auf Deutsch auf der Bühne habʼ singen getraut.
Mir ist da noch so ein Begriff eingefallen aus der Zeit des frühen Austropop. Was fängst du mit dem Begriff des Liedermachers an?
Genau, aus der Schiene auf alle Fälle! Aber dann eben halt dargeboten mit Band.
Hat sich das gleich so entwickelt oder hast du am Anfang auch solo mit nur deiner Gitarre Konzerte gegeben?
Wir waren schon davor in der gleichen Besetzung eine andere Bandformation. Dream of Aquarius hat die geheißen und da habʼ ich auf Englisch geschrieben – das war halt ein englisches Projekt, weil ich mich über die Texte auf Deutsch noch nicht drübergetraut hab. Da habʼ ich schon ein paar Nummern auf Deutsch geschrieben gehabt, aber ich habʼ sie mich noch nicht spielen getraut. Dann habʼ ich aber irgendwann die deutsche Nummer angejamt bei Dream of Aquarius und das hat sehr gut funktioniert. Dann habʼ ich mir gedacht: Ich machʼ doch nicht nur ein Soloprojekt daraus, sondern machʼ das auch mit der eingespielten Band weiter, weil es so gut funktioniert hat. Gestartet hat das Projekt aber mit Solokonzerten mit Akustikgitarre.
Dream of Aquarius … gibtʼs da eine Verbindung zu »Atlantis«, dem Titel eurer ersten Platte?
Auf alle Fälle! Der Wasserbezug ist irgendwie immer da gewesen. Auch in den englischen Nummern. Auch das träumerische, finde ich. Das ist auch übernommen worden. Und vor allem der mehrstimmige Gesang. Da haben wir sehr viel Erfahrung gesammelt, schon bei den englischen Sachen, weil Englisch lässt sich sehr super singen, halt. Es haben auch alle super Stimmen bei uns und deswegen nutzen wir das auch aus, sodass wir viel Chöre drinnen haben. Also ich glaubʼ, das macht uns auch sehr aus, der Harmoniegesang eben.
Ihr lasst euch da teilweise ja auch richtig viel Zeit und gebt dem jede Menge Platz … Also das Album ist ausufernd, stilistisch – von Country bis über Klezmer-angehauchte Töne bis hin zu new-wavigen Sachen wie »Gemma aussi« oder »Taucherbrille« habʼ ich da einiges vernommen – wie auch von der Länge her. Was ist für dich so der Grundtenor des Albums? Als ich es mir angehört habʼ, habʼ ich mir gedacht, es gibt eigentlich momentan kein unpassenderes Album, weil dieses Album eigentlich draußen spielt. Es zelebriert das Leben draußen. Also alles, was wir grad nicht dürfen.
Wahrscheinlich. Dazu habʼ ich mir noch wenig Gedanken gemacht. Jetzt mit COVID-19 natürlich schon … Also, ich findʼ, das Album hat zwei Seiten, Sommer und Winter, und zelebriert nicht nur das Draußen-Sein. Die meisten Nummern habʼ ich so Anfang bis Mitte 20 geschrieben. Sehr viele Liebeslieder sind deswegen auch noch drinnen. Was sich jetzt Ende 20 geändert hat. Vor über zwei Jahren haben wir angefangen zum Aufnehmen. Also die neuen Nummern auf dem Album sind »Feuersalamander«, »Strafzettelkibara«, »Taucherbrille« …
Die Nummern, die eher als erstes in Ohr gehen …
… wo wir uns dann auch mehr konzentriert haben, dass sie irgendwie auch ein wenig kürzer sind, dass man gleich schneller zur Sache kommt. Ich glaubʼ, da hat sich im Songwriting dann einfach auch noch etwas getan. Und damals waren es mehr so Balladen und Singer/Songwriter-mäßig. Wenn ich’s jetzt mal so sagen darf: Die Liebeslieder/Frauennummern sind verspielter, also jetzt z. B. »Anita aus dem Wunderland«, »Annabell« oder »Roswitha« sind ausufernder und nicht so konzentriert in der Songstruktur. Diese Nummern nehmen sich mehr Platz.
Das Album kommt ja jetzt mitten in der Corona-Zeit raus. Was ändert das für euch?
In erster Linie ist es schade, dass wir den Release-Gig nicht spielen können. Auf der anderen Seite ist es halt eigentlich gut, weil die Tamara hätte eh keine Zeit gehabt, weil sie mit den Dives gespielt hätte. Und das wäre schon blöd für uns gewesen. Und jetzt freuen wir uns, dass wir es eben hoffentlich auch bald mit der Tamara nachholen können. Also am digitalen Release ändert das eigentlich nichts. Das einzige, was du eben schon gesagt hast, dass es vielleicht nicht der ideale Zeitpunkt ist, wenn halt alle grad drinnen sein müssen und viele Lieder irgendwie so das Leben im Freien feiern. »Jo die Wien« z. B.: eine Aufzählung an Freizeitbeschäftigungen und Erlebnissen, die man draußen haben kann. Wenn ich an »Taucherbrille« denke, mag ich lieber an den nächsten Aufenthalt am Meer denken als an Schutzmasken und Ausgangsverbote.
Aber es könnte ein guter Soundtrack werden, für den Sommer, den wir hoffentlich kriegen werden!
Genau!
Vielleicht noch ein wenig zu den Terminen?
Wir bringen am 18. April das Album raus und davor, am 16. April, wird noch unser Video zur Single »Taucherbrille« auf »The Gap« veröffentlicht. Dazu hab’ ich ein Video gedreht, bei mir in der Badewanne. Sehr deppat, sehr selbstironisch. Ein wenig auf Adam Green – deppat. Aber ich finde, es ist ganz witzig geworden, und etwas Besseres kann ich jetzt leider auch grad nicht machen. Wir wollten zuerst ein Visual-Video machen, aber die Künstlerin ist uns dann abgesprungen und dann hab’ ich mir einfach gedacht, ich mach es einfach selbst. Mit einer Spiegelreflex.
Ihr habt ja noch zu einem anderen Song eine nette Video-Idee gehabt …
Genau, also zu »Gemma aussi« haben wir die Idee gehabt, dass wir von allen möglichen Leuten Videomaterial sammeln, wie sie mit der Quarantäne umgehen und uns das dann schicken und wir dann daraus ein Video machen und das dann veröffentlichen, wenn man wieder raus darf. Dann freut man sich vielleicht noch mehr und man hat vielleicht so ein wenig einen Flashback, wenn man die Leute sieht, was sie getrieben haben und dass sie sich nicht unterkriegen haben lassen.
Also, dass man die Quarantäne vielleicht noch nostalgisch betrachten kann.
Vielleicht nicht unbedingt nostalgisch. Eher dankbar und happy darüber, dass wir die Krise hoffentlich gesund und ohne in Depressionen zu verfallen überstanden haben.
Also kommt das frühestens nach Ostern. Kann man noch was einschicken?
Auf alle Fälle! Würde mich freuen! Wir brauchen noch Material! Alles was euch einfällt einfach an: alpharomeounddiewinterreifen@gmx.at
Also bis die Quarantäne vorbei ist, kann man sich selbst noch in der Isolation filmen.
Genau! Und das kann alles sein! Ja, und vor über einer Woche ist der »Feuersalamander« rausgekommen. Das ist dann jetzt die zweite Single nach »Annabell«, die »Taucherbrille« kommt am 16. April. »Feuersalamander« geht auch ein wenig in eine andere Richtung. Unser Schlagzeuger, der Andi, hat so ein Drumpad bekommen und er hat dann mit meinem Loop-Pedal zum Loopen angefangen und aus dem Loop ist dann so quasi der »Feuersalamander« entstanden und gibt dem auch wieder ein wenig eine andere Richtung.
Was ist der Feuersalamander für euch in dem Song?
Der Feuersalamander ist ein Typ, mit dem ich einmal was trinken war, und ich hab’ voll viele gute Neuigkeiten gehabt und wollte ihm das alles erzählen, aber er hat es einfach gar nicht dazukommen lassen, dass ich erzähl’, wie sehr ich mich freue, weil er immer über sich selbst geredet hat. Dann ist er irgendwie der Feuersalamander geworden. Ich weiß nicht warum, aber das Wort war auf einmal da.
Gibt’s sonst noch Geschichten, die auf dem Album erzählt werden, die du mit uns teilen magst?
Der Student z. B., den hab’ ich ziemlich am Anfang von meinem Studium geschrieben, aus der Unfähigkeit heraus, zu studieren, weil ich bin eigentlich noch immer genau an dem gleichen Punkt, wie ich damals war. Ich sollte grad zwei Diplomarbeiten schreiben und hätte im Juni meine Abschlussprüfung, falls das jetzt hinhaut. Aber ich krieg’s irgendwie nicht auf die Reihe.
Also ich glaub’, die Prüfungskomissionen sind unter fünf Leuten.
Eben, ja, es geht wahrscheinlich eh, aber ich müsste halt erstmal anfangen …
Deswegen kann ich mich mit dem Lied nach wie vor sehr gut identifizieren, auch wenn ich es vor langer Zeit geschrieben hab’. Die »Taucherbrille« ist eigentlich im Proberaum entstanden. In unserem alten Proberaum haben wir so eine Couch gehabt, mit einem Kühlschrank und Bier … und da war’s dann eigentlich immer recht lustig und da sind sehr viel Nummern aus dem Jammen heraus entstanden. Die war dann auf einmal einfach da. Und wir haben uns eigentlich nie so richtig Gedanken gemacht, was das Lied jetzt eigentlich heißen soll. Und so interpretiert das auch jeder anders und das find ich auch gut, dass man das kann.
Sehr dadaistisch.
Voll! Mich erinnert’s auch ein wenig an »Da da da« von Trio. Zu »Strafzettelkibara« hätten wir auch gern ein Video gedreht, da hat der Manki (Tontechniker vom Chelsea, Manager/Produzent der Band und Oldtimer-Freak, Anm.) schon extra ein Cabrio hergerichtet. Und damals haben wir uns im Video immer den Peter Rapp als Strafzettelkibara vorgestellt. Ich weiß nicht, ob das was wird, aber den Manki könnte ich mir auch gut vorstellen als Strafzettelkibara. Er will, dass ich ihn spiel’, aber ich weiß nicht … ich fänd’s cool, wenn das wer anderer macht.
Müsst ihr halt überlegen, ob der Protagonist des Songs in die Rolle schlüpfen soll oder wer anderer. Von DÖF gibt’s ja ein Video zu dem Lied »Anka«, wo sie beide Grenzpolizisten spielen.
Muss ich mir ansehen.
Magst vielleicht noch ein wenig deine Winterreifen vorstellen?
Also da ist mal die Tamara Leichtfried, die spielt bei uns Klavier und singt, die Daniela Czurda singt und spielt Violine, der Severin Jungwirth singt und spielt Bass und Klavier und der Andreas Mittermühlner spielt Schlagzeug. Wir sind eigentlich alle recht gute Freunde. Mit dem Andreas Mittermühlner mach’ ich schon seit über zehn Jahren Musik. Damals in so einer Indie-Band, die hat Light Leaks geheißen. Das ist natürlich sehr gut fürs Live-Spielen, wenn man so lange miteinander Musik macht, dann wird man sehr tight.
Gibt’s jetzt eigentlich Dream of Aquarius noch oder ist das jetzt over?
Das ist eigentlich vorbei, aber ich hab’s nie wirklich aufgelöst, weil ich’s mir offenhalten wollte. Weil doch manchmal noch englischsprachige Nummern entstehen und wer weiß, vielleicht machen wir da auch mal wieder irgendwas. Aber das Hauptaugenmerk gilt momentan Alpha Romeo und den Winterreifen.
skug wünscht viel Erfolg mit dem neuen Projekt und bedankt sich ganz herzlich für das Gespräch!
5 x »Atlantis« von Alpha Romeo und den Winterreifen gewinnen!
Für die werte skug Leser*innenschaft gibt’s an dieser Stelle fünf Exemplar des überaus gelungenen Machwerks zu gewinnen! Bitte dafür einfach eine E-Mail mit Namen und Adresse bis 30. April 2020, 23:59 Uhr an gewinnspiel@skug.at schicken und diese Frage beantworten: Worauf freut ihr euch am meisten in der Zeit nach Corona? Die Gewinner*innen werden per Los ermittelt und per E-Mail verständigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen, die Barablöse ist nicht möglich.