Was hat es mit dem Tätowieren auf sich? Der Körper als Fläche bzw. Grundierung für Bilder und Zeichen, die ihm lebenslang eingeschrieben sind. Die beabsichtigte Intention der Tätowierung ist ihre Unübersehbarkeit und visuelle Wucht als Kennzeichen der Abgrenzung zu, wie auch Mitgliedschaft bei einer Gruppe. Waren historisch betrachtet Tätowierungen alias »Peckerl« lange Zeit ein Kennzeichen der Zugehörigkeit zur Unterwelt und vor allem der »Häf’nbrüder«, haben sie mittlerweile Eingang in den Mainstream und die Populärkultur gefunden. Stars, wie diverse durchtrainierte Fußballer mit »Modelkörpern«, trugen insbesondere zur Ästhetisierung von Tätowierung bei.
Wer spricht/schreibt hier und wie signifizieren Tattoos Subkulturen?
Um mich Schreiber*in persönlich wieder einmal ins Spiel zu bringen und sichtbar zu machen: Wie kommt es dazu, dass ich, wo ich in einer Lebenswelt verortet war und bin, in der der unbeschriebene sowie »unverletzte« Körper hochgehalten und präferiert wird, über ein Tätowierungsbuch schreibe? Könnte es damit zu tun haben, dass Tätowierungen immer auch ein Zeichen von Subkulturen, Minderheiten und »Randgruppen« waren und sind, denen ich mich in vielerlei Hinsicht zugehörig fühle? Eingeschossen ist mir diesbezüglich sofort Rosa von Praunheims Dokumentarfilm »Tote Schwule – Lebende Lesben« von 2008, in dem unter anderem ein mittlerweile verstorbener, im Dritten Reich internierter, ganzkörpertätowierte, schwuler Masochist erzählte, wie er bei jeder Tätowierung eine Erektion bekam. Ist Tattooing also als masochistische Praktik einzuordnen und damit auch dieser marginalisierten Subkultur zuzuordnen?
»TTT TATTOO«, das Buch
Tattooing wird in diesem Wälzer als Praktik erfasst, die in Zusammenhang mit anderen künstlerischen Ausdrucksweisen wie Graphic Design oder Mode verstanden wird. Verschiedene Schulen und Galionsfiguren wie Don Ed Hardy sind darin beleuchtet. Ein Zentrum im angloamerikanischen Raum ist – kaum verwunderlich – das progressive Kalifornien. Im Tattooing kulminieren somit verschiedenste Ideen und Personen. Dieser intersektionale Gedanke ist Ausgangspunkt der vorliegenden Publikation. Ein Schwerpunkt liegt darin auf der Einführung etlicher Studios und einzelner Künstler*innen, die aktuelle künstlerische, stilistische sowie technische Anwendungsbereiche aktuellen Tattooings veranschaulichen. Dazu seien exemplarisch Schulen wie Blackwork oder Irezumi genannt. Der Sinn von Tattooing lässt sich laut diesem Buch zusammenfassen im Anliegen des »Sich-Ausdrückens und Darstellens« und nicht in einer selbstbezogenen, isolierten künstlerischen Praxis.
Der gestaltete Körper
Bei den zahlreichen, großformatig abgebildeten Körpern in diesem Buch komme ich um ihre Analyse quasi nicht umhin: Durchtrainiert und sehr wohl genormt im dominanzkulturellen, hegemonialen Modemagazinschönheitssinn reiht sich ein tätowierter Körper an den nächsten. Vertreter*innen der Fat-Acceptance-Bewegung, die in dieser Tattoo-Szene in der Realität zweifelsohne ebenso vorhanden sind, hätten mit diesen Bildern, die sie ausklammern, weil unsichtbar machen, keine Freude. Ein Role Model wie Beth Ditto ist doch ein schönes, wenn auch nur punktuell tätowiertes Beispiel eines dicken Körpers. In diesem Sinne abschließend noch ein subjektives Statement zu den unterschiedlichen Tattoo-Motiven: Kaum sprechen mich die ornamentalen, »überschnörkselten« Tattoo-Motive an, sondern mehr das Großflächige, Symmetrische, Abstrakte. Kaum zu sagt mir auch ein Bild mit Penis, auf dem die Zunge des über ihm tätowierten Teufelskopfs hinunterreicht (Seite 298). Mein Geschmack ist doch eher die coole Frauenfigur (von Seite 299), auf deren T-Shirt »feminist« prangt.