»Ich bin zum Orson Welles der Musikindustrie geworden. Man will mit mir Mittag essen, aber niemand will den Film finanzieren …« soll Scott Walker über sich selbst 1995 in einem Interview für »The Independent« gesagt haben. Und ja, »The Sun Ain’t Gonna Shine (Anymore)«, noch mit den Walker Brothers, den »Brothers That Never Were« (keiner der »Brüder« heißt wirklich Walker, aber Noel Scott Engel wird diesen Namen behalten), eingespielt, ist 1965 in aller Munde und in aller Ohr. Die Walker Brothers machen eingängigen und zuckersüßen Pop bis zur ersten Trennung 1967.
Vom erfolgreichen Solo-Künstler …
Danach folgt eine aufsehenerregende Solokarriere. Die Alben »Scott 1« bis »Scott 4« sind Werke des Barock-Pop und des Chansons auf hohem kompositorischen und gesanglichen Niveau. In dieser Zeit entdeckt Scott Walker auch Jacques Brel und wird gefeiert für die englischsprachigen Interpretationen seiner Chansons. Gesammelt finden sich diese 1981 auf dem Compilation-Album »Scott Walker Sings Jacques Brel«. Scott Walker ist damit auf dem Zenit seines Erfolges.
Doch je mehr sich Scott Walker selbst findet, gewagtere Arrangements ausprobiert und sich der Experimentalmusik widmet, desto mehr avanciert er zum Liebling der Kritik. Die Verkaufszahlen sinken jedoch immer mehr. Den immer verschrobeneren Künstler können nur mehr wenige in seine neuen düsteren Klangwelten folgen. Das 1983 veröffentlichte »Climate of Hunter« wird zu dem am schlechtesten verkauften Album des Major-Labels Virgin. Es wird auch sein einziges Album in den 1980ern bleiben. Während Scott Walker noch in den 1960ern jährlich ein Album in die vorderen Plätze der Charts bringen kann, wartet die nun sehr eingeschworene Fan-Gemeinde immer länger auf ein neues Lebenszeichen des Ausnahmekünstlers.
… zum Liebling der Kritik
Der Veröffentlichungszeitraum der als Trilogie konzipierten Albumreihe, bestehend aus »Tilt« (1995), »The Drift« (2006) und »Bish Bosch« (2012), erstreckt sich auf über 17 Jahre. Sie gelten als seine künstlerisch ambitioniertesten Werke und »Tilt« bezeichnete niemand geringerer als David Bowie als das beste Album, das jemals produziert wurde. Ebenfalls beachtenswert in seiner Spätphase: der Soundtrack zum Film »Pola X (Regie: Leo Carax) und das gemeinsam mit Sunn O))) eingespielte Album »Soused«.
»Der düstere Engel des britischen Pop« ist nun am 22. März 2019 im Alter von 76 Jahren gestorben. Spätestens jetzt ist es an der Zeit, das umfassende Oeuvre des Künstlers (wieder) zu entdecken. Von der Liebhaber*in des anspruchsvollen Pop bis zum Fan experimenteller Klänge finden hier bestimmt alle etwas, was eigentlich nur schiere Begeisterung zulässt. Stellvertretend für die erhabene Schönheit seiner Kompositionen und zur Erinnerung mein persönliches Highlight: