An dieser Stelle gebührt einfach zunächst einmal ganz großer Dank dem Donauinselfest, weil es einen wichtigen Widerspruch verdeutlicht, der sonst viel zu oft unsichtbar bleibt. Die Festivalleitung komplimentierte nämlich am Samstag die deutsche Punkband Itchy aus dem Backstage-Bereich wegen eines »Vertrauensbruchs«. Was die wenig vertrauenserweckenden Punker gemacht haben? Eine Aktivistin der Letzten Generation als Bandmitglied ausgegeben und sie auf der Bühne ein zweiminütiges Statement verlesen lassen.
Reibungslose Sicherheit
Das geht so nicht! Nach 90 Sekunden war das Mikro abgedreht und Itchy wurden später vor den Zaun geführt. Bätsch. Das Ganze anscheinend, weil die Festivalleitung und die Crew der Bühne des Radiosenders 88.6 (»So rockt das Leben«) wirklich in Furcht vor der Letzten Generation waren. Beinahe weinerlich gab man per Statement bekannt, die »Sicherheit der Besucherinnen und Besucher« stünde »an erster Stelle« und der »reibungslose Ablauf« wäre durch »friedliche!« Mittel garantiert worden. Man möchte nicht im Kopf der Person Urlaub machen, die sich diesen Stuss zusammengereimt hat. Welche Gefahren sah man in der »Störaktion« des Verlesens eines Statements durch eine junge Frau? Was hätte sie mehr machen können (indem sie sich festklebt?), als den reibungslosen Ablauf unterbrechen? »Reibungslose Abläufe« sind ja bekanntlich ein Kardinalziel des Punk. Außerdem: Wer lobt sich mehrfach dafür, »friedlich« geblieben zu sein, außer jenen, die vielleicht nur mit Überwindung friedlich bleiben? Eine Frage noch: Fällt noch irgendwem im Betrieb auf, dass nichts mehr unser aller Sicherheit (und damit auch die reibungslosen Abläufe) gefährdet als die Klimakatastrophe?
Panzer (gefährlicher Name!), den Sänger von Itchy, hat das alles eher belustigt. Die Band ist sichtlich mit sich im Reinen. Sie kamen gerade von einem Gig in Deutschland, der wegen sintflutartiger Regenfälle abgebrochen werden musste. Die Baden-Württemberger Punker müssen erleben, dass es in ihrer Heimat im Zweiwochentakt zu katastrophalen Wetterereignissen kommt. Das kann man eine authentische Sorge nennen. Vollkommen zu Recht fragen sie, warum die Festivalbetreiber Angst vor einer jungen Frau haben, und stellen fest, wer 2024 noch nicht verstanden habe, um was es bei der Klimakatstrophe geht, habe ein großes Problem. Auf dem Donauinselfest spielen sie nie mehr: »Drauf geschissen!« Recht hamse.
Warum macht man eigentlich ein Donauinselfest?
Die Frage nach den eigentlichen Gefahren darf dann unumwunden an die Organisatorin des Donauinselfestes, die Wiener Sozialdemokratie, weitergeleitet werden. Der SPÖ geht es gerade insgesamt nicht so doll, weil sie weder Fisch noch Fleisch ist. Einerseits will man sich ja auch ganz fest fürs Klima einsetzen, andererseits will man bloß niemanden stören. Dieser zentrale Widerspruch des großen Ganzen wird im kleinen Donauinselfest sehr schön deutlich. Kurioserweise scheint es an der Macht schwerer zu sein, etwas zu ändern, denn man ist ja auch zugleich für die reibungslose Aufrechterhaltung des Betriebs zuständig. Wenn aber just der Betrieb ins Elend führt, dann muss dieser eben geändert werden. Das sagen übrigens nicht irgendwelche dahergelaufenen, deutschen Punkernasen, sondern angesehene Klimawissenschaftler (Michael E. Mann et al.). Und da spießt es sich dann.
Der sozialdemokratische Frust entlädt sich genau hier. »Wir geben euch saubere Straßen und im Sommer Christl Stürmer gratis und ihr wählt uns trotzdem nicht!« Stimmt, ist auch gemein. Der Vorsitzende Andreas Babler nahm auf dem Donauinselfest ein Bad in der Menge für seinen Insta-Channel und muss nun sehen, dass alle auf ihn angefressen sind. Die Rechten sind sauer, weil man das Klimagenöle nicht komplett absagt (»Ist ja eh nix, heiße Sommer hat es früher auch gegeben!«) und die Linken sind so »Wäh«, weil nichts wirklich Linkes mehr kommt. Wer glaubt, man könne ein Festival abziehen, das mit »Kronenzeitung« und »Radio 88.6« Medienpartner hat, die bestenfalls den konsumistischen Eskapismus propagieren, schlimmstenfalls gegen »Klimakleber« hetzen, hat ganz grundsätzlich etwas nicht kapiert.
Pop und insbesondere Punk kann dabei helfen, zu politisieren. (Die Band Itchy hat Eisbären und abgeschlachtete Wale in ihren Videos, das war vermutlich ein Hinweis.) Aber diese politische Haltung muss dann ein Veranstalter auch ernstnehmen und ihr – im wahrsten Sinne des Wortes – eine Bühne geben. Gerade eine Unterbrechung des reibungslosen Ablaufs kann Menschen zum Denken anregen. Es ist nämlich nicht verboten, dass wir uns mit Kunst und Wissenschaft bilden. Bildung muss Orientierung bieten und mit dem gesellschaftlichen Kampf verbunden werden, weil sonst ist das doch alles nur »Geschwafel« (Dietmar Dath). Wenn man Menschen ernst nimmt und ihre politischen Anliegen, die sich in Aktivismus, Kunst und Wissenschaften artikulieren, für wichtiger hält als den reibungslosen Betrieb, dann klappt es vielleicht auch wieder bei den Wahlen, liebe Sozis. Mit ungestörtem Weitergrölen wird es nicht mehr hinhauen.