»Kimi no tori wa utaeru« © Hakodate Cinema Iris
»Kimi no tori wa utaeru« © Hakodate Cinema Iris

Das Leben der Vorstadtjugend in Tokio

Auf einen der schönsten Songs der Beatles spielt »Kimi no tori wa utaeru« des Filmemachers Sho Miyake an, der die Komplexe des Erwachsenwerdens, der Liebe, der Sprachlosigkeit und der Selbstbeobachtung zwischen drei Freunden zeigt.

»And Your Bird Can Sing«, so die englische Übersetzung von »Kimi no tori wa utaeru«, ist eigentlich ein Roman von Yasushi Sato aus dem Jahr 1982, der vom Leben der Tokyoter Vorstadtjugendlichen handelt. Die gleichnamige Verfilmung von Sho Miyake aus dem Jahr 2018 gehört zu einer Reihe später verfilmter Werke des früh verstorbenen Autors, darunter »Over the Fence« (2016) oder »The Light Shines Only There« (2014). Miyake hat die Erzählung, die an den Truffaut’schen Flicks »Jules et Jim« (1962, eine Verfilmung des Henri-Pierre Roché-Romans von 1953) erinnert, in die Gegenwart verfrachtet und die zeitlose Geschichte von einem Abschnitt des Erwachsenwerdens stilvoll verfilmt. Besonders die Partyszenen, mit der guten Auswahl an Musik, den atmosphärischen, verschwitzten Bildern, den sich langsam nähernden, vor Energie sprühenden jungen Körpern, sind gut getroffen.

»Kimi no tori wa utaeru« © Hakodate Cinema Iris

Der namenlose Protagonist, gespielt von Tasuku Emoto, teilt sich ein Appartement mit seinem Freund Shizuo, gespielt von Shota Sometani. Letzterer ist ein arbeitsloser, äußerst freundlicher, hübscher und liebenswerter Junge. Ersterer, eher Typ Rabauke, verliert wegen seiner Unverlässlichkeit seinen Job und statt auf ein Date mit einem hübschen Mädchen zu gehen, trinkt er lieber bis in den Morgen mit Shizuo, um dann restfett die Versetzte bei seinem neuen Job in einem Buchladen anzutreffen – natürlich, ohne sich zu entschuldigen. Was sollte das? War das ein Test? Oder nur ein Ausdruck seiner unentschlossenen Art, seiner verschlossenen Persönlichkeit, um von vornherein durch seine Coolness zu signalisieren, dass ihm eigentlich eh alles egal ist, niemand ihn berühren, ergo verletzen kann? Wahrscheinlich beides.

»Kimi no tori wa utaeru« © Hakodate Cinema Iris

Sachiko, gespielt von Shizuka Ishibashi, nimmt es ihm nicht übel, im Gegenteil: Mit ihrer amüsanten, recht sonnigen Art scheint sie Gefallen an ihm zu finden und rasch entwickelt sich etwas zwischen den beiden. Der Protagonist stellt jedoch von vornherein klar: »No drama«. Da ist sie wieder, diese Coolness. Und man braucht keinen Bachelor in Psychologie, um zu wissen, dass es sich hier um eine Abwehr der eigenen Gefühle handelt, um den Versuch, sich unverwundbar zu machen. Man sieht sie beim Abhängen, Rumslacken, Feiern, Lachen, Trinken, Schwitzen, Interagieren, Spaß haben. Zwischenmenschliches ist den Zuschauer*innen als Beobachtenden oft aus den Blicken und dem Verhalten der Personen generell zu erahnen. Also zwischen den eher recht selten ausgesprochenen Zeilen. Man sagt halt wenig, lässt die Dinge passieren, Fragen sich selbst beantworten. Vor allem, wenn dann sein bester Freund Shizuo zwischen die beiden tritt und es ernst zu werden scheint. Das Wichtige bleibt unausgesprochen, bis es wirklich weh tut. Und es dauert bis zum Ende, zur letzten Szene, bis etwas ganz, ganz Wichtiges passiert und es zu einer Entscheidung kommt, als das »No Drama« des Protagonisten nicht mehr aufgeht und die wahren Gefühle zum Vorschein kommen.

Link: https://www.berlinale.de/de/programm/berlinale_programm/datenblatt.html?film_id=201913436

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