daniel bachmann
Daniel Bachman

»Moving Through Light«

Self-release

Daniel Bachman ist ein amerikanischer Musiker, der in der Nachfolge von Jack Rose im lange American Primitive genannten Genre instrumentaler Gitarrenmusik in den letzten 15 Jahren zu internationaler Bekanntheit gelangte. Seitdem ist einiges passiert. In der Wahrnehmung von u. a. post-kolonialen Perspektiven hadern manche Vertreter*innen des Genres seit einigen Jahren mit dessen tradierter Bezeichnung, und mit dieser selbstkritischen Geste gehen auch ästhetische Überlegungen und Entscheidungen über die Präsentationsformen und -inhalte des jetzt-so-nicht-mehr-bezeichneten Genres und dessen Repräsentationsfunktion einher. Es ist einiges in Bewegung bzw. ins Rutschen geraten: Ist das (noch) Folk Music? Wenn ja, wer sind hier die »Folks«? Welche Rolle nehme ich als Künstler*in in dieser »Community« ein – und wie werde ich in dieser Rolle monetär anerkannt? So weit, so abstrakt. 

Um es nun am Beispiel von Bachman zu konkretisieren: Das ehemalige Wunderkind des Jetzt-nicht-mehr-American-Primitive wandelte sich im Laufe der letzten Jahre zum Enfant Terrible der Szene. Als Aktivist kämpfte und kämpft er an mehreren Fronten; legte sich in verlagsrechtlichen bzw. monetären Fragen mit den Labels Tompkins Square und Three Lobed an, um in dem einen Fall die Rechte an seinem Katalog wiederzuerlangen (Tompkins Square) und im anderen Fall entlassen bzw. fallengelassen zu werden (Three Lobed). Zur Kompensation der damit einhergehenden finanziellen Notlage bedient sich Bachman der weit verbreiteten Methode, Unterstützung über Social-Media-Netzwerke wie Patreon zu erlangen, und stellt seine Arbeiten (Stand heute/fürs erste) nur noch digital zur Verfügung (um mehr Einsicht und Kontrolle über Umsätze und Gewinne seiner Musik zu erhalten). Und als wäre das nicht schon Arbeit genug, unterzieht er seine älteren Arbeiten der Revision: Zwei frühe Alben (»Seven Pines« und »Jesus, I’m a Sinner«) hat er in rassismus- und kolonialismuskritischer Absicht rekontextualisiert und (als »Where the Tide Ebbs and Flows«) neu veröffentlicht. Finanzielle Erträge dieser beiden Alben führt er aus den genannten Gründen gemeinnützigen regionalen Projekten zu. Und apropos Region: Dort, wo er wohnt, nämlich »irgendwo im Nirgendwo«, Virginia, beforscht er die regionale Geschichte, erstellt außerakademische Forschungsarbeiten zur Historie vernakulärer musikalischer Traditionen und betätigt sich als Klimaschutzaktivist. Ach ja, Musik macht er weiterhin auch. Man sieht: the struggle is real, the heat is on. 

Wozu nun all das verklausulierte Gerede? Nun, spätestens seit dem 2022er-Album »Almanac Behind« (sinnfälligerweise ein Anagramm auf seinen Namen) arbeitet Daniel Bachman intensiv an seiner nicht nur musikalischen Neuerfindung, erweitert sein musikalisches Vokabular (instrumentale Gitarrenmusik) um elektronische Elemente und bearbeitet sein musikalisches Ausgangsmaterial so stark, dass nicht mehr von Old Time Music gesprochen werden kann – im Gegenteil: Bachman macht aus einer brüchiger werdenden Gegenwart heraus Musik für eine zunehmend ungewisser erscheinende Zukunft. Wie klingt die? Nicht mehr so schön nostalgisch, könnte man vergleichend mit Blick auf frühere Alben sagen. Engagiert, könnte man mit Blick auf die diskursive Rahmung und das zugrundeliegende Material sagen. Suchend, möchte ich mit Blick auf die prinzipielle Unabgeschlossenheit von Bachmans gesammelten und hier im verwirrenden Überblick dargestellten Bemühungen sagen. »Moving Through Light« ist die erste von Bachman in Eigenregie veröffentlichte Arbeit, die ein Ende markiert und einen Neuanfang bezeichnet. Himmel, ist das kompliziert, komplex und voraussetzungsreich, wie sind wir hierher geraten? Ging und geht es nicht eigentlich um Musik, um ein Album mit elektronisch verfremdeter Gitarrenmusik, die als glitchy Folktronica auf den Begriff gebracht werden kann und fertig ist die Laube? So einfach ist es leider nicht. Wer trotzdem Lust hat, sich auf komplizierte und widersprüchliche Verhältnisse einzulassen, dem sei Daniel Bachmans »Moving Through Light« ans schwächer werdende Herz gelegt.

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Text
Holger Adam

Veröffentlichung
25.02.2025

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